Liebeskind
einfach so hinweggehen sollten.“
„In Ordnung, doch wenn Sie jetzt fertig sind, möchte ich gern zum eigentlichen Punkt unserer Besprechung kommen.“
Anna schlug ihre mitgebrachte Akte auf und begann.
„Es geht um Monika Diebach-Meyer, eine ehemalige Klassenkameradin von Rainer Herold und Torsten Lorenz. Frau Diebach hat damals, ähnlich wie Dirk Adomeit, unter den Schikanen der beiden schwer zu leiden gehabt und sogar angedroht, sich an ihnen rächen zu wollen. Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass sie weder für die Tatzeit im Fall Herold noch für den Abend des 28. November, den Zeitpunkt, zu dem Torsten Lorenz getötet wurde, ein Alibi vorzuweisenhat. Wir haben Frau Diebach-Meyer daher heute zu einer Befragung herbestellt. Ich würde es, zumal sich der Kollege Weber krankgemeldet hat, begrüßen, wenn Sie an dieser Befragung teilnehmen könnten, Frau Markisch.“
Günther Sibelius schaute unbehaglich von einer Frau zur anderen.
„Frau Markisch hat den Zeugen Adomeit ebenfalls für heute zu einer weiteren Vernehmung vorgeladen. Sehen Sie also zu, dass Sie beide Termine koordinieren und gemeinsam auf die Reihe bekommen. Wir brauchen endlich Ergebnisse.“
Anna starrte eine Weile stumm aus dem Fenster hinaus. Warum hatte sich Weber nur ausgerechnet heute seinen Schnupfen nehmen müssen? Aber in einem hatte Sibelius schon Recht. Sie brauchten Ergebnisse, das würde ihnen auch in der zu befürchtenden kommenden Auseinandersetzung mit Martin Schönauer den Rücken stärken. Er sollte erfahren, wie erfolgreich ihre Abteilung auf die altbewährte Weise arbeitete.
Wie sich herausstellte, waren die zwei Befragungstermine zum Glück zu unterschiedlichen Tageszeiten angesetzt worden, sodass sie keinen von beiden verschieben mussten. In einer Stunde würde Frau Diebach-Meyer eintreffen, am frühen Nachmittag dann Dirk Adomeit. Anna ging in ihr Büro zurück, um sich auf die anstehenden Vernehmungen vorzubereiten, als das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte.
„Hallo, meine Süße, ich bin’s, Paula.“
Anna lächelte in sich hinein, denn niemand außer Paula nannte sie „meine Süße“.
„Bist du gestern Abend noch lange auf dem Weihnachtsmarkt gewesen?“, fragte Anna. „Und hat sich dabei etwasmit dem dunkelhaarigen Schönling ergeben, der so begeistert von dir war?“
„Das erzähle ich dir ein anderes Mal. Mir ist da aber noch etwas eingefallen, was dich vielleicht interessieren könnte. Es geht um Hajo Wieland.“
„Ja, was gibt’s denn?“
„Hajo kommt ursprünglich nicht von hier, er ist erst später zusammen mit seiner Familie in unsere Gegend gezogen. Seine Eltern sind beide Lehrer gewesen, glaube ich. Das erklärt vielleicht auch, warum er damals auf einer anderen Schule als der unsrigen, einer anthroposophischen Privatschule, war. Wenn ich es Recht erinnere, gibt es aber trotzdem eine Verbindung zu Rainer und Torsten, die drei haben früher nämlich zusammen Musik gemacht.“
„Danke dir, Paula, das könnte in der Tat hilfreich sein. Auf bald.“
Anna legte auf und nahm den Hefter zur Hand, der die bisherigen Ermittlungsergebnisse zu Hajo Wieland enthielt. Bei ihrem letzten Besuch im Haus der Familie Lorenz war offenkundig geworden, dass Hajo Wieland der ritterliche Helfer der Witwe Lorenz war. Vielleicht war er außerdem nicht erst seit gestern ihr Seelentröster. Laut Paula schien er sowieso einen Hang zu attraktiven Frauen zu haben. Ebenso wie zu schnellen Autos und Motorrädern, und das waren alles sehr kostspielige Hobbys. Hatte er sich dafür möglicherweise in Schulden gestürzt? War er dadurch erpressbar geworden und vielleicht in Dinge verstrickt worden, die sich ein leitender Angestellter einer Sparkassenfiliale keinesfalls erlauben durfte? Wie sahen seine Familienverhältnisse aus? Und wenn es, wie Paula meinte, tatsächlich eine Verbindung zwischen Hajo Wieland und den beiden Mordopfern gab, würde esSinn machen, an diesem Punkt noch einmal akribisch nachzuhaken.
Anna stellte sich vor die große Tafel in ihrem Büro, auf der alle bisherigen Spuren und Hinweise dokumentiert waren, die sie bisher zu den Mordfällen Herold und Lorenz zusammengetragen hatten. Sie nahm einen roten Marker zur Hand und begann zu schreiben.
Hinterher betrachtete Anna ihre Ergebnisse und stellte fest, dass sie es mittlerweile mit vier verdächtigen Personen zu tun hatten. Da war zuerst einmal Dirk Adomeit, den Anna allerdings für sich als Täter ausschloss. Dann gab es Monika
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