Liebeskind
tröstete sie zumindest ein wenig über ihren Ärger hinweg.
„Dann greif deine Knarre und verhafte sie. Im Ernst, Anna, lass Ben mal machen, der ist schon in Ordnung.“
Anna versuchte, ihren Ärger mit dem nächsten Schluck Glühwein zu vergessen. Trotzdem, woher nahm Paula eigentlich ihre Gewissheit, wo sie doch selbst keinerlei Erfahrungen mit Kindern hatte? Es war vielleicht besser an der Zeit, das Thema zu wechseln.
„Sagt dir der Name Hajo Wieland etwas?“
„Das ist ein Bankheini aus unserer Zweigstelle, warum?“
„Und in Zusammenhang mit den Lorenzens?“
„Du meinst, er könnte Mariannes Geliebter sein? Na, ich weiß nicht.“
„Paula, ich kann dir wirklich nicht unsere Ermittlungsergebnisse auf dem Silbertablett präsentieren.“
„Wenn du eine Aussage von mir willst, dann lad mich doch offiziell vor.“
Anna holte neuen Glühwein und hielt Paula einen Pappbecher hin.
„Frieden?“
Paula knuffte Anna mit ihren dicken Fellhandschuhen in den Arm.
„Von Mariannes Liebschaften weiß ich nichts, aber der Hajo ist hinter allem her, was einen Rock trägt. Sonst fällt mir nur seine Leidenschaft für Jungskram ein. Ausgefallene Motorräder und alte Porsche. Hat er beides, glaub ich.“
„Hast du ihn mal mit den Lorenzens zusammen gesehen?“
Auf Paulas Stirn bildete sich eine steile Falte.
„Entspann dich, wir sind doch zum Feiern hier. Bald ist Weihnachten. Bekommt ihr Besuch?“
„Toms Eltern kommen aus Dänemark, und Jan wird auch da sein.“
„Mensch, Anna, warum machst du es dir nur immer so schwer?“
„Das ist nicht meine Idee gewesen, aber was soll’s. Zwischen Tom und mir läuft es recht gut, auch wenn wir in vielen Dingen nicht einer Meinung sind, hatten wir in letzter Zeit doch ein paar schöne Nächte miteinander. Und was wirst du so machen?“
„Ich habe ein paar Leute zu mir eingeladen und werde eine fette Weihnachtsgans auf den Tisch bringen. Was kann da noch schiefgehen?“
Am Montagmorgen kam Anna Greve nur mühsam aus ihrem Bett. Am Tag zuvor hatte sie zusammen mit Tom noch das letzte Holz, das sie von ihrem Nachbarn Menzel bekommen hatten, gehackt und alles ordentlich unter dem Dachüberstand aufgestapelt. In Zukunft würde sich dann Herr John, ein netter Mann mit gärtnerischen Fähigkeiten, den Paula ihnen vermittelt hatte, um ihr Holzproblem kümmern.
Auf dem Flur des Dezernats wäre Anna beinahe mit Sigrid Markisch zusammengestoßen.
„Morgen, Frau Markisch. Dann bis gleich zur Dienstbesprechung in unserem Büro.“
„Das trifft sich gut, denn es gibt auch Neuigkeiten zu Dirk Adomeit, Frau Greve. Übrigens, der Chef möchte, dass die Besprechung heute bei ihm stattfindet.“
Hatte die Markisch eigentlich gar nichts anderes mehr im Kopf als diesen armen Kerl? Anna dachte an die vergangene Nacht mit Tom zurück und lächelte; die Giraffe konnte einem wirklich leidtun. Sie öffnete die Tür zu ihrem Büro, doch Weber war noch nicht an seinem Platz. Heute würde sie ihn mit seinem Lieblingskräutertee überraschen, aber zuerst einmal brauchte sie selbst einen starken Kaffee. Anna füllte gerade Wasser in die Kaffeemaschine, als es klopfte.
„Kommissar Weber hat sich krankgemeldet“, verkündete Antonia Schenkenberg. „Er lässt Sie grüßen.“
Anna stellte den Kräutertee wieder auf die Ablage zurück und sagte: „Trinken Sie einen Kaffee mit mir, Antonia? Ich könnte eine kleine Aufmunterung gut gebrauchen, bevor es gleich wieder losgeht.“
Sigrid Markisch hatte ihre Notizen auf Günter Sibelius’ Schreibtisch ausgebreitet und sah genervt auf die Uhr, als Anna hereinkam.
„So, dann können wir ja wohl endlich anfangen. Dirk Adomeit hat für seine Verhältnisse sehr viel Geld verloren, so ungefähr zehntausend Euro.“
„Wie die meisten Menschen, die ihre Rücklagen der letzten Jahre in Aktien angelegt haben“, gab Günther Sibelius zu bedenken.
„Aber Dirk Adomeit ist nicht gerade ein wohlhabender Mann. Er hatte allen Grund, deswegen auf Rainer Herold sauer zu sein.“
„Grund genug, jemanden auf diese grausame Art umzubringen?“ Anna zog tief an ihrer Zigarette, die sie mit Günther Sibelius’ Einverständnis am geöffneten Fenster stehend rauchte. „Auch erklärt sich damit keineswegs der Mord an Torsten Lorenz. Mir scheint Ihre Theorie ziemlich konstruiert zu sein.“
Sigrid Markisch sah ihre Kollegin über die Brille hinweg scharf an.
„Ich habe hier wichtige Indizien zusammengetragen, Frau Greve, über die Sie nicht
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