Liebeskind
beschäftigt gewesen, um auf die Idee zu kommen, mit ihren Kindern zusammen etwas Schönes auf die Beine stellen zu können.
Vera war immer gefährlich gewesen. Sie wollte immer zu viel. Zu viele Kleider, zu viele Haartrockner, zu viele Worte; zu viel Sehnsucht nach Liebe? Und wenn ihr misslungen war, was sie anpackte, war auch ihre Reaktion immer von einem Zuviel geprägt gewesen. Zu viele Zigaretten, zu viel Alkohol, zu viel Schminke, zu viel Wut. Vera konnte nie einfach nur da sein. Zuhören, trösten, erklären, bestärken, wie sich das für eine Mutter gehörte. Dieses Zuviel von allem hatte Friedrich aus dem Haus getrieben. Dieses Zuviel war auch der Grund für Elsa gewesen, zu gehen. Vera war gefährlich, aber schon bald nicht mehr am Leben. Elsa würde warten, bis ihre Mutter gestorben war, und dann hoffentlich zum letzten Mal in dieses Gnomengesicht schauen und sich dem stellen, was ihnen gemeinsam war.
Doreen sah auf ihre Armbanduhr und erhob sich, denn es war höchste Zeit aufzubrechen.
„Tut mir leid, Sylvia ich muss los. Ich will noch kurz in den Supermarkt.“
Sylvia schnurrte. „Du bist immer in Eile, ich weiß.“ Sie drückte noch einmal auf Doreens Bauch. „Versprich mir aber, dass ich als Erste erfahre, wenn es etwas Neues gibt.“
Doreen atmete auf. Sylvia war eigentlich ganz in Ordnung, aber wenn sie einen erstmal in ihren pink lackierten Krallen hatte, war es schwer, wieder von ihr lozukommen.Doreen überlegte, was sie einkaufen musste. Makkaroni brauchte sie und Sahne, denn Nudeln mit Tomatensoße waren Marthas Lieblingsgericht. Auf ihrem Weg zum Supermarkt spähte sie erneut in den Rückspiegel, aber der dunkelblaue Kleinwagen war nicht mehr zu sehen. Trotzdem fühlte sie sich kein bisschen erleichtert, denn seit ihrem Tagtraum, in dem Elsa sie angegriffen hatte, war Doreens Angst von Stunde zu Stunde gewachsen. Mittlerweile war Doreen sicher, beobachtet zu werden, weshalb sie gleich morgen Vormittag, sobald Martha im Kindergarten war, zur Polizei gehen wollte. Allerdings würde sie ihren Friseurtermin dann schon zum dritten Mal verschieben müssen, überlegte Doreen. Und zudem wusste sie nicht einmal genau, was sie bei der Polizei überhaupt anzeigen sollte. Wenn sie mit nichts als dem Kleeblattanhänger als Beweis für ihre Geschichte auf der Wache erschien, würde man sie vielleicht sogar auslachen. Und würde Irmgard ihr glauben, dass sie von Elsa verfolgt wurde? Wahrscheinlich nicht, denn schließlich hatte sich Doreen schon als Kind in alle möglichen Kleinigkeiten so hineingesteigert, dass sie darüber oftmals nicht hatte einschlafen können. Nein, bevor sie Elsa bei der Polizei anzeigte, musste Doreen zunächst einmal ihre Gedanken ordnen, und dazu brauchte sie Arno. Immer wieder rückte er ihr den Kopf zurecht, wenn sie sich in irgendetwas verrannt hatte. Arno erklärte Doreen die Welt, und sie würde ihren Mann an ihrer Seite brauchen, wenn sie zur Polizei ging. In zwei Tagen kam er endlich zurück; ja, jetzt waren es nur noch zwei Tage.
Auf ihrem Weg zurück nach Hamburg hielt Anna bei einer Konzertagentur in der Innenstadt an. Strahlend kam sieeine halbe Stunde später mit einem Kuvert in der Hand zum Wagen zurück.
Weber warf den Motor an und startete durch, kaum dass sie sich angeschnallt hatte.
„Haben Sie etwa Weihnachtseinkäufe gemacht? Sigrid Markisch hat schon ein paarmal per Funk gefragt, wo wir denn bleiben. Ich habe ihr etwas von einem Stau erzählt.“
„Heute war der letzte Tag, an dem noch Karten für das Konzert von Sting verkauft wurden. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, Weber.“
Anna und Weber hatten gerade das Präsidium betreten, als sie schon von der Giraffe im Flur empfangen und ins Büro von Günther Sibelius gebeten wurden.
„Da sind Sie ja endlich.“
Sigrid Markisch überprüfte den Zustand ihrer glatt polierten Fingernägel, während Weber sich setzte. Anna blieb hinter seinem Stuhl stehen.
„Wenn’s recht ist, informiere ich die Kollegen jetzt über die Ergebnisse meiner Recherchen.“
Günther Sibelius nickte.
„Rainer Herold musste sterben, weil er Dirk Adomeit den Tipp mit den Warentermingeschäften gegeben hat, ohne diesen vorher über die Risiken aufzuklären. Könnte sein, dass es Rainer Herold ziemlich kalt gelassen hat, dass sein alter Klassenkamerad seinetwegen all seine Ersparnisse verloren hat. Es könnte weiterhin sein, dass er dumm genug war, dies Dirk Adomeit auch zu zeigen. Und schon haben wir unser
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