Liebeskind
Mordmotiv.“
„Ich wiederhole mich wirklich ungern, Frau Kollegin, aber erstens enthält mir ihre Theorie ein wenig zu oft die beiden Worte „könnte sein“, und zweitens scheinen Sieimmer wieder zu vergessen, dass es Hajo Wieland gewesen ist, der Herrn Adomeit beraten hat“, entgegnete Anna.
„Letzteres mag durchaus so gewesen sein, Frau Greve, bedeutet aber noch lange nicht, dass Rainer Herold nicht trotzdem mit Herrn Wieland zusammengearbeitet hat und Dirk Adomeit dahintergekommen ist.“
„Sie gehen also nach wie vor davon aus, dass Dirk Adomeit die Kontrolle so weit verloren hat, dass er Rainer Herold nach dem Mord in derart brutaler Weise verstümmelt hat?“, fragte Weber dazwischen.
„Seine Gesichtsverletzung könnte auch während des Kampfes entstanden sein oder meinetwegen, als er schon im Sterben lag.“
„Nein, es ist zweifelsfrei erwiesen, dass die Wunde postmortal entstanden ist“, entgegnete Weber.
„Dann hat er dem Herold die Schnitte eben beigebracht, als er schon tot war. Wie es genau gewesen ist, werden die Verhöre zeigen. Auf jeden Fall könnte Dirk Adomeit nach dem ersten Mord auf die Idee gekommen sein, Torsten Lorenz gleich noch mit zu beseitigen. Schließlich hing er in der Anlagengeschichte mit drin, und als Ehemann von Marianne Lorenz war er außerdem noch Adomeits Nebenbuhler.“
Anna schüttelte missfällig den Kopf und bekräftigte gegenüber Günther Sibelius und der Giraffe noch einmal ihre Einschätzung zu Dirk Adomeit.
„Warten Sie doch erstmal ab, bis ich fertig bin, Kollegin Greve“, fuhr Sigrid Markisch fort. „Meine Recherchen haben nämlich ergeben, dass Hajo Wieland sehr wohl das halbe Dorf mit Anlagetipps versorgt hat. Auch wenn er das nur aus reiner Gefälligkeit getan haben will und nie Prozente dafür genommen hat, wie er sagt.“
„Ist das glaubwürdig? Für mich klingt das eher wie ein netter kleiner Nebenverdienst.“ Weber grinste. „Sollte ich auch mal versuchen, vielleicht als Sicherheitsberater oder so.“
„Hat Herr Wieland Namen genannt?“
„Nein, er hat ganz allgemein von seinen Kunden gesprochen, Frau Greve. Aber ich glaube mittlerweile immer mehr daran, dass sich Hajo Wieland in großer Gefahr befindet. Immerhin ist er der neue Lover von Marianne Lorenz.“
Günther Sibelius stand auf und sah aus dem Fenster, als Anna mit ihrer Zusammenfassung der Ereignisse begann und danach auch auf ihre neue Theorie zum gesuchten Täter zu sprechen kam.
„Eine interessante Idee, Kollegin Greve. Es ist durchaus möglich, dass der Täter seine Opfer bereits in der Mittelstufe der Schule kennen gelernt hat. Gehen Sie dem unbedingt weiter nach. Wie sieht es heute Nacht eigentlich mit der Überwachung von Hajo Wieland aus?“, schaute er anschließend fragend in die Runde. „Ich selbst werde wieder die letzte Schicht übernehmen.“
Weber nickte zustimmend, doch Sigrid Markisch verdrehte die Augen.
„Ich kann leider nicht, denn ich bin heute Abend zu einem Familienfest in Hannover eingeladen.“
„Und Sie, Frau Greve?“
„Ich bin dabei. Wenn es Ihnen recht ist, mache ich dafür heute aber etwas früher Feierabend als sonst. Ich will vorher noch auf einen Sprung nach Haus, schließlich wissen meine Jungs schon kaum mehr, wie ihre Mutter aussieht.“
„Gut, dann fangen Sie um 22.00 Uhr mit der Überwachung an, Kollegin Greve. Weber wird die ersten Stunden vermutlich auch ohne Sie auskommen.“
Den Rest des Tages verbrachte Anna allein in ihrem Büro. Weber hatte sich noch einmal in das Hotel aufgemacht, in dem Monika Diebach während des Ärztekongresses in Hamburg abgestiegen war. Nachdem sie ihre Mails abgefragt hatte, wählte Anna sogleich die Telefonnummer des Merschenfelder Gymnasiums und hatte wenig später die Schulsekretärin Frau Mondt am Apparat.
„Ja, Greve hier. Frau Mondt, es geht noch einmal um Herrn Dr. Grütter. Haben Sie nicht vielleicht doch noch etwas über ihn gespeichert? Schon sein Geburtsdatum würde mir ein großes Stück weiterhelfen.“
„Gut, ich werde mich dahinterklemmen.“
„Könnten Sie nicht netterweise gerade mal eben in Ihrer Datei nachschauen?“
„Gerade mal eben kriege ich auch jeden Tag von der Schuldirektion zu hören“, schimpfte die Sekretärin. „Nein, tut mir leid, aber das geht jetzt nicht. Wir telefonieren morgen Vormittag wieder.“
Genervt legte Anna den Hörer auf die Gabel zurück und überlegte, wie sie auch noch auf anderem Weg an die benötigten Informationen herankommen
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