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Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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neben Doreen. Stattdessen hatte sie sich für einen der beiden Einzelplätze entschieden, die in einigem Abstand zu den anderen Tischen aufgestellt waren, um die Sitzordnung in eine U-Form zu bringen. Von ihrem Platz aus konnte Elsa ihrer ehemaligen Freundin Doreen gut ins Gesicht sehen. Doch die feige Heulsuse wandte sich jetzt meist gleich einem der schwarzen Lackschuhmädchen zu, wenn sie Elsas Blick auf sich ruhen fühlte.
    In diesem Halbjahr war ein neuer Lehrer in ihre Klasse gekommen, er unterrichtete Englisch und Musik. Herr Vomberg hieß er, hatte das Referendariat gerade hinter sich und lockige, dunkle Haare. Bereits nach einer Woche war er zum Star der ganzen Schule geworden, besonders für die Hühner der unteren Jahrgänge. Herr Vomberg übersetzte mit ihnen Songtexte aus dem Englischen ins Deutsche. Und er ermunterte seine Schüler, eigene Lieder mitzubringen, solche, die ihnen besonders gut gefielen. Endlich gab es einen Lehrer, der sie ernst nahm. Herr Vomberg spielte Schlagzeug und wenn man ihn darauf ansprach, konnte es vorkommen, dass er den Lehrplan vergaß und über Musik zu philosophieren begann. Ähnlich wie früher der alte Grütter, aber dessen Geschichten waren nicht so interessant gewesen. Dr. Grütter hatte man nur auf das Thema U-Boote anzubohren brauchen, schon hatte er ihnen alte Kriegsgeschichten über seine Zeit bei der Marine erzählt. Zum Sterben langweilig war das gewesen, aber immer noch besser als jede normale Geschichtsstunde. Torsten war der Aufforderung von Herrn Vomberg als Erster nachgekommen und hatte eine Schallplatte von „The Cure“ in die Englischstunde mitgebracht. Elsa hatte eine solche Musik noch nie gehört. „Seventeen Seconds“. Einsamkeit lag in dieser Stimme und Schmerz. Konnte es sein, dass es doch noch jemanden gab, der so fühlte wie sie? Kaum war der letzte Ton verklungen, als es Rainer nicht mehr auf seinem Stuhl hielt.
    „Torsten, wo hast du bloß dieses Gewimmer ausgegraben? Das ist doch ein voller Griff ins Klo, Alter. Komm bloß nicht auf die Idee, so einen Scheiß mitzubringen, wenn wir morgen mit der Band üben.“
    Herr Vomberg lächelte Rainer an.
    „So, jetzt wissen wir wenigstens, wer der Nächste von euch sein wird, der uns nächste Woche mit seinem Lieblingsstück versorgen wird. Ich bin schon gespannt, Rainer.“
    Elsa blickte vorsichtig zu Torsten hinüber. Sein Gesicht war gerötet, und auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Sie schickte einen Zettel auf die Reise zu Torsten.
    „Mach dir nichts draus. Ich habe noch nie so gute Musik gehört.“
    An diesem Nachmittag klingelte das Telefon bei Elsa.

    „Ich habe noch viel mehr Platten von „The Cure“. Wenn du willst, kann ich dir was aufnehmen.“
    Elsa kämmte sich die Haare ins Gesicht. Heute fuhr sie nicht mit dem Fahrrad, auch wenn sie zu Fuß einen langen Marsch vor sich haben würde. Trotzdem, es war einfach unmöglich, verschwitzt und außer Atem bei Torsten anzukommen.
    Doreen gähnte, während sie eine Birne zerteilte und die einzelnen Stücke danach für sich und Martha in das Müsli schnitt. Es war wie an jedem Morgen, Martha kam mit verschlafenem Gesicht an den Frühstückstisch heran, legte einen Arm um den Hals ihrer Mutter und schmiegte sich an sie. Doreen spürte die warme Kinderhand an ihrem Hals und wünschte sich, dass es immer so bleiben könnte wie in diesem Augenblick. Seit gestern Morgen verließ Doreen das Haus nicht mehr, ohne darauf zu achten, dass sie ihr Handy dabeihatte. Sie steckte es sogar dann ein, wenn sie nur kurz eine Mülltüte in den Abfalleimer vor ihrer Haustür werfen wollte. Warum musste Arno ausgerechnet in dieser Woche so lange auf einer Baustelle im Osten sein? Doreen würde ihre Tochter Martha und auch sich selbst nicht beschützen können, wenn Elsa tatsächlich etwas Schlimmes plante, das sich gegen sie beide richtete.
    Nach ihren morgendlichen Fahrdiensten und Besorgungen war Doreen auf direktem Weg wieder nach Hause zurückgekehrt. Seitdem waren an die zwei Stunden vergangen, doch ihre Einkaufstüten standen noch immer unausgepackt in der Küche herum. Doreen hatte heute keinen Blick dafür. Sie saß im Flur auf dem Boden, beugte sich über die Zeitung und suchte nach Neuigkeiten zu den Mordfällen Herold und Lorenz, vor allem nach einem Hinweis auf Elsa. Dochnachdem nicht einmal die allerkleinste Nachricht auf den Seiten zu finden war, sah alles danach aus, als ob die Polizei noch keinen Schritt weitergekommen wäre.
    Im Lokalteil

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