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Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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aber gab es darüber hinaus denn wirklich niemanden für Elsa, gab es denn keine einzige Frau, die mehr war als nur eine graue Maus? Hatte es überhaupt jemals solche Frauen gegeben? Elsa kam Frau Possel in den Sinn und auch die freundliche Frau, doch die zählten nicht, das war in ihrer Kindheit gewesen. Entscheidend war, ob es hier und heute wirklich niemanden gab, der so war wie sie? Frauen, die anderes im Kopf hatten als wunderbar zerzauste Tischler oder schreiende Bälger? Frauen, die mehr wollten als selbstgemalte Fensterdekorationen und ein gelungenes Mittagessen? Gab es irgendwo eine Frau, die Elsas Freundin sein konnte? Elsa hatte bisher noch nie eine kennen gelernt, die es wert gewesen war. Während ihres Studiums war Elsa zumeist von Lippenstiften umgeben gewesen, manchmal auch von Lippenstiften mit Taschenrechnern. Und heute, in ihremLabor, huschten ausschließlich Hühner um sie herum. Unterwürfige, berechnende oder geile Hühner, manchmal auch all das zusammen in einer Person. Immer waren diese Frauen auf irgendwelche Männer fixiert, in denen sie sich jeweils spiegelten. Niemals schienen sie etwas ausschließlich für sich selbst zu tun. Verstummten stattdessen oder glotzten Wände an, sobald kein Schwanz mehr in der Nähe war, dem sie gefallen wollten.
    In dieser Nacht träumte Elsa von einem wunderbar verwilderten Garten mit einer imposanten Rotbuche in der Mitte. Eine Frau lag auf einer weiß bezogenen Holzliege im Schatten des Baumes und prostete Elsa neben sich zu.
    Aber nein, es gab keine Frau, die so war wie sie. Es gab niemanden, der Elsa würde retten können. Außer Paula vielleicht, das Mädchen, das damals in ihre Parallelklasse gegangen war. Sie war das einzige Mädchen gewesen, das mehr als eine graue Maus oder ein schwarzer Lackschuh gewesen war. Mehr als ein Huhn und auch keine Prinzessin, selbst wenn sie mit Torsten poussiert hatte. Ob Paula noch in der Gegend lebte?
    Anna und Tom hatten ihre Weihnachtseinkäufe so zügig erledigt, dass sie sich nun überlegten, was sie mit der ihnen geschenkten Zeit anfangen sollten. Erst als sie aus den überdachten Ladenpassagen herauskamen, fiel ihnen auf, wie schön dieser Wintertag im Grunde war. Die Sonne schien an einem hellblauen Himmel, und doch war es klirrend kalt dabei.
    „Komm, Anna, lass uns nach Hause fahren und die Schlittschuhe holen. Danach fahren wir zum See hinaus.“ Tom strahlte mit dem Sonnenlicht um die Wette.

    „Wunderbare Idee, mein Hase, aber vorher müssen wir unbedingt noch nach Ben sehen.“ Anna grinste frech und schmiegte sich im Auto an ihren Mann. „Ich hoffe nur, dass ich so schnell noch meine Skiunterwäsche und die Handwärmer finden kann.“
    „Ach was, das ist nicht nötig, du hast doch mich.“
    Als die beiden zu Hause angekommen waren, ging Anna sofort nach oben und klopfte an Bens Zimmertür. Tatsächlich saß er an seinem Schreibtisch, die Nase tief über ein Schulbuch gebeugt.
    „Darf ich reinkommen?“
    „Klar doch, Mam. Ist ganz gut, dass ich jetzt schon mit Physik anfange“, meinte er sorgenvoll. „Wir schreiben nämlich am Mittwoch eine Arbeit, aber irgendwie verstehe ich diesen Kram hier überhaupt nicht.“
    „Gut, dann schlage ich vor, du überlegst dir deine Fragen, und da dein Vater sowohl in Mathe als auch in Physik eine Leuchte gewesen ist, kann er dir bestimmt weiterhelfen.“
    „Bist du noch böse? Eigentlich habe ich doch überhaupt keine Schuld, weil Papa mir die Sache gestern Abend erlaubt hat.“
    „Das sehe ich etwas anders, Ben, denn schließlich hast du dich nicht an unsere Absprache gehalten. Aber das ist jetzt nicht mehr zu ändern. Mir geht es übrigens ähnlich wie dir, denn auch ich habe immer viele Probleme mit Mathe und Physik gehabt. Also bis nachher, ich gehe jetzt mit Papa zum Schlittschuhlaufen.“
    Als sie wieder nach unten kam, hatte Tom bereits einen Tee gekocht und die Schlittschuhe ins Auto eingeladen. Anna warf sich rasch ein paar bequeme Wintersachen über, schnappte sich ihr Handy und folgte Tom dann nach draußen.

    Obwohl das Wetter wie geschaffen für einen Spaziergang war, trafen sie am See nahezu keinen Menschen. Anna und Tom zogen sich ihre Schlittschuhe an und drehten ihre ersten Runden auf dem Eis.
    Tief atmete Anna die klare Winterluft ein. Sie sah Tom vor sich eine gewagte Pirouette drehen, die er allerdings nicht sehr elegant bis zu Ende brachte. Krachend landete er auf dem Boden, kam anschließend mühsam auf die Beine und rieb sich sein

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