Liebeskind
Einkaufszentrum in ihrer Gegend entschieden, da die Hamburger City besonders an den langen Samstagen in der Vorweihnachtszeit meist aus allen Nähten platzte.
Als sie wenig später in das Menschengewimmel der Ladenpassage eintauchten, nahm Tom seine Frau Anna an die Hand.
„Tut mir leid, dass ich gestern Abend überreagiert habe“, entschuldigte er sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Du hast schon Recht, ich werde mich in Zukunftmehr an der Erziehung unserer Jungen beteiligen. Gleich am Montag mache ich einen Termin mit Bens Lehrerin, in Ordnung?“
Tapfer lächelte Anna ihren Mann Tom an und hakte sich bei ihm unter. Was hatte es schließlich für einen Sinn, weiterhin böse auf ihn zu sein?
„Ich glaube, Elisabeth würde sich über einen neuen Kaschmirschal freuen“, meinte sie schließlich. „Am besten, wir nehmen einen in Rosa, denn seit meine Mutter so viel Zeit mit ihrem Herrn Horn verbringt, scheint das ihre neue Lieblingsfarbe geworden zu sein. Wer weiß, vielleicht kommt sie demnächst sogar noch mit einer Zahnspange daher. Apropos Zahnspange; hast du eigentlich eine Idee, was wir Jan schenken könnten?“
„Darum kümmere ich mich noch. Ich wollte das Geschenkeproblem sowieso einmal grundsätzlich mit meiner Sippe besprechen“, antwortete Tom und blieb vor dem Schaufenster eines Sportgeschäfts stehen.
„Komm, lass uns hier anfangen.“
Als Anna im Begriff war, hinter ihrem Mann her in den Laden hineinzugehen, fiel ihr Blick auf eine Gruppe Jugendlicher, die es sich auf einer Bank gegenüber dem Elektronikmarkt gemütlich gemacht hatten. Anna hielt inne und zupfte Tom am Ärmel.
„Warte einen Moment, ich glaube, da hinten steht Ben.“
Tatsächlich, nur ein paar Meter von ihnen entfernt sahen Tom und Anna ihren Sohn Ben mit einer Zigarette im Mund und einer Flasche Bier in der Hand mit mehreren anderen Jugendlichen zusammenstehen. Wenn Anna sich nicht sehr täuschte, waren es dieselben Jungen, die ihr bereits vor ein paar Tagen in der Aula des Gymnasiums aufgefallen waren.
„Was macht Ben denn um diese Zeit hier?“, wunderte sie sich, „wo er doch normalerweise am Wochenende selten vor Mittag aufsteht?“
„Ich habe ihm gestern Abend dummerweise erlaubt, dass er bei Sebastian übernachten darf.“
„Wie bitte? Du lässt Ben, entgegen unserer Absprache, nach acht Uhr noch aus dem Haus gehen? Das darf doch alles nicht wahr sein, Tom!“
„Bitte beruhige dich, ich weiß selbst, dass ich einen Fehler gemacht habe. Aber Ben hat mich so nett gebeten, da konnte ich einfach nicht nein sagen.“
Kopfschüttelnd zog Anna ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer ihres Sohnes. Als er sich kurz darauf meldete, hielt sich Anna nicht mit langen Begrüßungen auf.
„Ich möchte, dass du auf der Stelle die Bierflasche und auch die Zigarette aus der Hand legst und zu mir herüberkommst!“
Ben sah sich suchend um, dann entdeckte er seine winkende Mutter vor dem Schaufenster des Sportgeschäfts und trottete zu ihr hinüber.
„Du fährst jetzt sofort nach Hause, Ben und danach setzt du dich an deine Hausaufgaben. Heute Abend kontrolliere ich deine Hefte, schließlich kann es doch nicht angehen, dass ein intelligenter Mensch wie du in der Schule zu scheitern droht, nur weil er faul ist. Außerdem möchte ich, dass du dir bis dahin auch überlegt hast, welche Zusammenhänge du in Mathe noch nicht verstanden hast. Dein Vater“, sie warf Tom einen wütenden Blick zu, „wird sich genügend Zeit für dich nehmen, um dir die Sachen zu erklären. Alles klar?“
Ben nickte wortlos und machte sich in Richtung der Bushaltestelle davon.
Tom hatte die ganze Zeit über kein einziges Wort gesagt. Als er Anna anschließend mit unsicherem Blick ansah, hakte sie sich bei ihm unter.
„So, und jetzt gehen wir shoppen. Ich werde mir meine gute Laune doch nicht von deiner Inkonsequenz und unserem pubertierenden Sohn verderben lassen.“
Als Elsa wieder in ihrem Apartment angekommen war, drehte sie zuerst alle Heizungskörper auf, dann ließ sie sich ein heißes Bad ein. Es war ein schönes Gefühl, zur Abwechslung endlich einmal zu frieren und nicht wie sonst diese alles überlagernde Hitze in sich zu spüren.
Ja, dieser letzte Augenblick mit Doreen hätte möglicherweise alles verändern können, aber leider war er Elsa verwehrt geblieben. Während sie in das wärmende Wasser der Badewanne eintauchte, dachte Elsa noch einmal an ihre Prinzessin zurück. Doreen lag jetzt tot im Schnee,
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