Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
Vom Netzwerk:
jemand zu Hilfe gekommen. Sie erinnerte sich an das Licht, das vorhin kurz am Waldrand aufgeflackert war. Vielleicht hatte eine fremde Spaziergängerin etwas von Doreens Not mitbekommen. Vielleicht war sie in ihre Richtung marschiert und hatte Elsa somit vertrieben. Doreen atmete tief ein. Wenn sie denheutigen Angriff auf ihr Leben überlebte, würde sie sofort zur Polizei gehen und Anzeige erstatten. Und sie würde den Beamten darüber hinaus endlich den schon lange fälligen und entscheidenden Hinweis auf Elsa geben. Aber noch war es nicht so weit, zuerst einmal musste sie sich bei ihrer fremden Retterin, die sie vor dem sicheren Tod bewahrt hatte, bedanken. Vorsichtig tauchte Doreen ihr Gesicht in die schneegefüllten Hände der unbekannten Frau ein. Wie gut das tat. Doch plötzlich kamen Doreen Zweifel, ob sie mit ihrer Annahme überhaupt richtig lag. Wenn diese Frau tatsächlich nach Einbruch der Dunkelheit noch im Wald unterwegs gewesen war, dann doch nur, um ihren Hund auszuführen. Aber Doreen hatte bislang noch keinen Hund bemerkt. Und woher wusste ihre Retterin außerdem, dass Doreen im Gesicht verletzt worden war? Blutete sie etwa aus einer Wunde am Kopf? Oder hatte die Fremde Elsas Angriff sogar aus nächster Nähe beobachten können?

13
    Doreen lehnte sich an die Schulter der fremden Frau.
    „Ich bin so froh, dass Sie da sind. Können Sie mir bitte die Fessel abnehmen?“
    Sie hustete, spürte, wie sich ihre Retterin nun an ihrem Rücken zu schaffen machte. Das Seil um Doreens Hände lockerte sich.
    „Haben Sie gesehen, wer mich angegriffen hat? Würden Sie die Frau wiedererkennen?“
    Ihre Retterin schwieg. War die Fessel so schwer zu lösen, oder warum sonst konnte Doreen ihre Arme noch immer nicht richtig bewegen? Vorsichtig öffnete sie ihre brennenden Augen und nahm eine Gestalt wahr, die sich über sie beugte. Dann hörte sie eine wohlbekannte Stimme.
    „Wen meinst du, Prinzessin?“
    Wie konnte es sein, dass ihre Retterin gerade genauso geklungen hatte wie Elsa früher? Doreen brauchte einen Augenblick, um die Situation zu begreifen. Ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus, dann kehrte ihre Angst zurück. Doch mit ihr zusammen kam auch die Wut. Sie versuchte, auf die Beine zu kommen, zerrte mit aller Kraft an der Fessel, aber das Nylonseil hatte sich plötzlich wieder so fest um ihre Hände gezogen wie zuvor. Doreen kniff ihre Augen zusammen, das Gesicht der Gestalt über ihr war jetzt ganz nah. Sie warf sich auf den Rücken, hob ihre Beinean und trat dann entschlossen zu. Doreen spürte einen Widerstand und kurz darauf ein Stöhnen. Vielleicht war es ihr sogar gelungen, Elsas Kopf zu treffen. Wenn sie jetzt schnell genug reagierte, hätte sie möglicherweise doch noch eine Chance, Elsas Angriff zu überleben. So schnell sie konnte, kam Doreen wieder auf die Beine und begann zu laufen. Nur fort, weg von diesem Grauen. Sie hatte bereits einige Meter hinter sich gebracht, als sie ins Straucheln geriet und auf allen vieren auf dem Boden landete.
    „Heute ist wohl nicht dein Glückstag, Kleeblatt.“
    Die kalten Hände, die Doreen vor wenigen Minuten noch beinahe zärtlich das Gesicht gekühlt hatten, packten nun hart zu und warfen sie bäuchlings in den Schnee. Ihr Nacken wurde mit einem erbarmungslosen Griff schraubstockähnlich umspannt; es war ihr unmöglich, sich auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu bewegen. Die kalten Hände drückten Doreens Gesicht weiter zu Boden, und ihre Nase füllte sich mit Schnee. Doreen konnte nicht mehr atmen, und so öffnete sie ihren Mund, um nicht zu ersticken. Sie versuchte zu schreien, aber ihre Mundhöhle hatte sich mittlerweile ebenfalls mit Schnee gefüllt, die Luft begann dünn zu werden. Mit letzter Kraft zappelte sie wie ein Fisch an Land, während die Welt um sie herum dunkler zu werden begann. Von fern hörte Doreen noch einmal Elsas Stimme, dann war es zu Ende.
    „Du wirst mich nie wieder auslachen, Prinzessin!“
    Elsa hatte so lange zugedrückt, bis sie einen Krampf im Arm bekommen hatte. Jetzt kam sie schnaufend auf die Beine und trat gegen Doreens schlaffen Körper zu ihren Füßen. Langsam drehte sie das, was von ihrer Freundin aus Kindertagen übrig geblieben war, um und sah in Doreens weit geöffnete Augen. Elsa wischte ihr den Schnee vomMund, sah ihre zu einer Fratze verzerrten Gesichtszüge. Im Sterben hatte Doreens Gesicht wahrhaftig jegliche Anmut verloren. Für den wunderbar zerzausten Tischler würde sie kein schöner Anblick

Weitere Kostenlose Bücher