Liebeskind
zukünftig nur noch ihren Lebenspartner sehen zu können. Den Mann, der sie liebte und der ihr dieses auch zeigte. Trotz aller vorauszusehenden Schwierigkeiten war Anna zuversichtlich und freute sich, ganz gleich wie die Lage in ein paar Minuten im Büro auch sein würde, unbändig auf den bevorstehenden Abend mit Tom. Nicht einmal die Giraffe würde ihr heute noch etwas anhaben können, dachte Anna, als sie den Vectra auf dem Behördenparkplatz einparkte. Das Einzige, was an diesem Tag zählte, waren Tom und sie.
9
Als Anna an diesem Abend einigermaßen pünktlich nach Haus kam, parkte Toms Wagen bereits in der Einfahrt. Er war gerade dabei, in der Küche den Abendbrottisch zu decken, als sich Anna von hinten an ihn heranschlich und ihn umarmte. Er schüttelte sie lachend ab. Dann sagte er gutgelaunt: „Du, ich habe gerade in der Zeitung gelesen, dass der HFC nach der Winterpause endlich wieder richtiges Bier ausschenken darf. Das ist doch klasse, oder?“
Anna versuchte, ihren Blick von den zarten Adern auf Toms Händen zu lösen. Sie durfte jetzt nicht nervös werden.
„Das hat der Senat wohl als Ablenkungsmanöver eingetütet. So wie wir alle in Zukunft den Gürtel noch enger schnallen sollen, hat er sich bestimmt gedacht, dass ein bisschen Alkohol fürs Volk nicht schaden kann.“
„Ich freue mich trotzdem darauf.“ Tom nahm Anna in den Arm. „Und wenn es Jan tatsächlich gelingt, wieder nach Hamburg zu wechseln, ist mein Glück, jedenfalls was den HFC angeht, komplett.“
Eben noch hatte Anna überlegt, ihn zu küssen, jetzt verschluckte sie sich beinahe an ihrem Tee.
„Jan kommt wirklich zurück?“
Tom Greve rieb sich zufrieden beide Hände.
„Ich habe dir doch erzählt, dass er sich in England nicht wohlfühlt. Sein Management hat die Fühler schon inRichtung Hamburg ausgestreckt. Was sollen die in London auch mit einem Spieler anfangen, der nicht hundertprozentig motiviert ist? Wie es aussieht, kann der Transfer eigentlich nur noch an einer überzogenen Ablöseforderung der Briten scheitern.“
Anna schaute auf die Adern an Toms Händen, die jetzt allerdings nichts anderes mehr als dünne Striche auf seiner Haut waren.
„Ich drücke ihm die Daumen.“
„Das kannst du ihm bald selbst sagen. Jan hat mich heute im Büro angerufen, er wird uns über Weihnachten besuchen kommen.“
Wie hatte sich Anna auf diesen Abend gefreut, der nur ihnen beiden hatte gehören sollen. Dabei hatte er so schön angefangen, nicht zuletzt weil Tom ihr heute sogar einmal bei der Hausarbeit geholfen hatte, doch nun schien er sich in eine ganz andere Richtung zu bewegen. Außerdem, seit wann wurden in ihrer Familie eigentlich Entscheidungen über die Gestaltung des Weihnachtsfestes im Alleingang getroffen?
Draußen hörte sie die Haustür ins Schloss fallen. Nach der Intensität des Lärms im Flur zu schließen, war Ben soeben nach Hause gekommen.
„Musst du nicht langsam losfahren?“, fragte er seine Mutter kurz darauf in der Küche. „In zehn Minuten hast du doch deine Verabredung mit Flo.“
Schnell steckte sich Anna noch ein Stück Vollkornbrot in den Mund und trank ihren Tee aus.
„Bis später, ihr beiden“, rief sie Tom und Ben zu und kam anschließend noch einmal zurück, um ihren Mann zu umarmen. „Wir sprechen weiter, wenn ich zurück bin.“
Als Anna wenig später auf dem Parkplatz vor dem Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr ihres Dorfes in der Ferne einen Motorroller auf sich zufahren sah, kam sie sich vor wie bei einem konspirativen Treffen. Flo stieg von seinem Gefährt ab, dann öffnete er die Beifahrertür ihres Wagens und ließ sich auf den Sitz neben sie fallen.
„Ich finde es ganz klasse, dass Sie mit mir reden, Frau Greve. Aber bitte erzählen Sie meinen Eltern nichts von der Geschichte, die stecken mich sonst ins Heim.“
In beschwörendem und auch ein wenig weinerlichem Ton setzte Florian sein Gespräch mit Anna fort. Dabei stellte er sich ihr gegenüber als bemitleidenswerter Junge dar, der, da er von seinen Eltern viel zu wenig Taschengeld erhielt, gar keine andere Möglichkeit hatte, als sich nebenbei ein paar Euro dazuzuverdienen. Dass er seine desolate Kassenlage allerdings nicht mit irgendeinem Job wie dem Austragen von Zeitungen, sondern vielmehr mit dem Verkauf von Drogen aufgebessert hatte, schien ihm keinerlei Gewissensbisse zu bereiten. Und obwohl er Anna, in allem, was sie sagte, zustimmte, hatte sie hinterher, trotz seines Versprechens, ab sofort mit dem Dealen
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