Liebeskuenste
nachzudenken, weil ich mich verliebt habe in diesen Mistkerl.
Im Vorbeigehen schnappe ich mir Tasche und Autoschlüssel, meine Pumps halte ich in der Hand, um schneller weglaufen zu können. Hoch erhobenen Hauptes rausche ich grußlos an Roman vorbei, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
Noch nie in meinem Leben bin ich so gedemütigt worden.
Draußen ist es mit meiner Beherrschung vorbei. Es gelingt mir kaum, das Auto aufzuschließen, so sehr zittern meine Hände. Ich werfe noch einen Blick auf die Edelkarosse neben mir, dann starte ich den Motor, und mit einem Kavaliersstart schießt mein kleiner VW-Käfer hinaus auf die Straße. Trotzig wische ich mir die Tränen ab, doch es kommen immer wieder neue. Erst als ich bereits die Münchner Stadtgrenze passiert habe, fällt mir ein, dass ich die Vertragsunterlagen in Romans Wohnzimmer vergessen habe.
Zu Hause angekommen, stürme ich ins Badezimmer, lasse Wasser in die Wanne laufen, gieße überreichlich Rosenöl dazu und reiße mir die Kleider vom Leib. Noch immer meine ich, Romans Geruch auf meiner Haut zu riechen, fern und fremd, so wie er selbst es ist. Schon füllen sich meine Augen wieder mit Tränen, doch energisch fahre ich mir mit der Hand über die Augen und lasse mich ins heiße Wasser gleiten.
Kein sentimentales Geflenne mehr wegen eines gefühllosen Machos!, schwöre ich mir erbittert.
Die nächsten beiden Tage verstreichen in unendlicher Tristesse. Obwohl ich mir verboten habe, über mein Liebensabenteuer mit dem Maler nachzudenken, gelingt es mir nicht, die Gedanken an diesen eiskalten Chauvinisten aus meinem Kopf zu verbannen. Immer wieder rede ich mir ein, dass ich mir nichts aus ihm mache, dass es mir völlig egal ist, wenn er mir nie, nie wieder unter die Augen käme, aber das ist schlichtweg gelogen. Zudem quält mich der Gedanke an die geheimnisvolle Besucherin, von der ich nur das Auto und ihre Stimme kenne. Wer ist diese Frau, die einfach bei Roman hereinschneit, ihm eine Szene macht und sich dann in seinem Haus breitmacht, während ich vor die Tür gesetzt werde?
In der Galerie hänge ich herum wie ein Häufchen Elend. Sobald das Telefon läutet, schrecke ich zusammen und hoffe jedes Mal insgeheim, dass es Roman ist mit einer glaubhaften Entschuldigung. Aber jedes Mal werde ich aufs Neue enttäuscht.
Alle zehn Minuten überprüfe ich mein E-Mail-Konto, aber außer Werbung, zwei Anfragen und die Nachricht einer Freundin trifft nichts bei mir ein. Dazwischen laufe ich ruhelos im Büro auf und ab, ordne die Ablage neu, rücke Möbel hin und her, hänge Bilder um und verbreite Unruhe und Hektik.
»Du machst mich wahnsinnig!« Karen rauft sich ihren bereits ziemlich zerzausten Rotschopf. »Wenn ich mir noch länger deine Leidensmiene anschauen muss, werde ich selbst depressiv. Miete dir einen Callboy, kauf dir einen Vibrator oder lass dir ein Tattoo stechen. Oder noch besser: Leg dir endlich einen Liebhaber zu! Aber sitz nicht hier herum und zieh mich runter mit deiner miesen Laune! Geh unter Leute und unternimm etwas!«
Sie hat recht. Ein wenig Ablenkung wäre vielleicht gar nicht schlecht. Ich schaue auf die Uhr. Für einen Friseurbesuch oder einen ausgedehnten Einkaufsbummel ist es bereits zu spät. Aber ein Spaziergang durch den Englischen Garten würde mich sicher aufheitern. Ich könnte bis zum Chinesischen Turm gehen und dort im Biergarten Sonne und einen Drink genießen. Man trifft dort viele Leute meines Alters, meist Studenten aus den umliegenden Fakultäten. Mit ein wenig Glück würde ich angenehme Tischnachbarn kennenlernen und es ergäbe sich eine nette Unterhaltung. Diese Aussicht erscheint mir mit einem Mal äußerst verlockend.
»Das mach ich«, rufe ich aus. Ich greife nach meiner Jacke, werfe mir die Tasche über die Schulter und stehe auch schon an der Tür. »Tschüss, Karen!«, rufe ich meiner Freundin zu. »Wir sehen uns morgen!«
Ich drehe mich um und eile die Stufen hinunter. Unvermutet pralle ich dabei gegen eine breite Männerbrust in edlem Zwirn. Ich blicke auf. Vor mir steht Roman Hagen.
Sekundenlang starren wir uns wortlos an. Mein Herz pocht so laut, dass ich befürchte, mein Gegenüber könnte es hören.
»Gina …« Kein Mensch vermag meinen Namen so zärtlich auszusprechen wie er. »Wie schön, dich zu treffen.«
Als wäre zwischen uns alles in bester Ordnung, streichelt er mir zart über Wange, Mund und Kinn und beugt sich unvermittelt vor, um mich zu küssen. »Du gehst? Darf ich dich
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