Liebeskuenste
Für die Aufnahmen, die sie in Namibia, Südafrika, im Kongo, im Grand Canyon und auf Madagaskar geschossen hat, stellt die Fotografin höchste Anforderungen für deren Präsentation. Die Werbung für den Event läuft auf Hochtouren; Karen ist seit Tagen mit der Zusammenstellung der Einladungsliste für Journalisten, Kritiker und prominente Freunde der Künstlerin beschäftigt.
In diesen Trubel hinein platzt die Nachricht, dass eines der Roman-Hagen-Gemälde den Besitzer wechseln soll. Der Interessent, der das Bild schon mehrere Male begutachtet und mit mir mehrere Male über den Preis verhandelt hat, hat sich nun doch zum Kauf entschieden.
Karen und ich sind völlig aus dem Häuschen vor Freude. Unser erster großer Verkauf! Zur Feier des Tages führe ich meine Freundin zum Essen aus, und wir begießen diesen Triumph mit einem Glas Sekt. Danach bin ich so euphorisch, dass ich meiner Freundin von der zufällig mitgehörten Unterhaltung im Second-Hand-Laden zwischen Naomi und ihrer Begleiterin erzähle.
»Wie würdest du reagieren? Würdest du an meiner Stelle bei Roman anrufen?« Die Frage brennt mir auf den Nägeln.
»Bist du noch zu retten? Du willst doch nicht ernsthaft bei ihm anrufen und die Sache petzen wie ein Schulmädchen? Auch wenn er ein Mann ist – bis neun kann er ganz sicher zählen. Und ihm wird ganz gewiss schon bald auffallen, dass die Geschichte mit der Schwangerschaft nichts als eine Luftnummer und er auf Naomis Märchen hereingefallen ist.« Sie schaut mich skeptisch an und rügt: »Darf ich dich daran erinnern, dass du dich vom ›Flachleger‹ fernhalten wolltest. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du in der Lage bist, ihn zu ändern? Auch wenn du es dir noch so sehr wünschst: Ein Mann wie er ist niemals treu, der hat immer mehrere Eisen im Feuer!«
»Wie kannst du das beurteilen? Du kennst ihn doch gar nicht. Alles, was du zu wissen glaubst, ist nichts als Klatsch und Tratsch! Vielleicht ist er in Wahrheit ganz anders!«
Karen kann angesichts meiner Sturheit nur fassungslos den Kopf schütteln. »Bist du wirklich so naiv oder stellst du dich nur blöd? Aber nur zu, renn in dein Unglück!«
»Was du als Unglück bezeichnest, sind eigene Erfahrungen, die ich machen möchte. Ich bin in diesen Mann verliebt, auch wenn dir das nicht gefällt.«
»Ganz ehrlich, Gina? Es ist sinnlos, mit dir über das Thema zu diskutieren. Mach dein Ding, lass dich auf eine Beziehung mit Roman Hagen ein. Nach einiger Zeit werden wir wissen, ob er seinem schlechten Ruf gerecht wird oder nicht.« Sie stockt. »Du weißt, ich bin immer für dich da, egal, wie du dich entscheidest; egal, was aus dieser Geschichte wird.«
Wir schauen uns an und ich kann nichts anderes sagen als: »Danke.«
Nach diesem kurzen Disput verläuft der weitere Abend in perfekter Harmonie. Wir machen Pläne für unsere gemeinsame Arbeit, denn Xenias Ausstellung soll nicht die letzte große Präsentation in unseren Räumlichkeiten gewesen sein. Vor allem hoffen wir darauf, dass diese Ausstellung weitere große Künstler auf uns aufmerksam macht und wir nicht nur finanziell davon profitieren werden.
Doch vor Xenias großer Schau findet erst einmal der Examensball statt.
Ich nehme mir viel Zeit für die Vorbereitungen. Zu meiner Überraschung passt die türkisfarbene Robe wie angegossen und bildet einen reizvollen Kontrast zu meiner leicht gebräunten Haut und den blonden Haaren. Stola, Tasche und schlichter Türkisschmuck vervollständigen den ansehnlichen Gesamteindruck.
Max scheint vor Aufregung völlig aus dem Häuschen zu sein. Mehrmals täglich ruft er mich an, um sich zu vergewissern, dass ich keinen Rückzieher mache und ihn tatsächlich zum Ball begleiten werde.
Dann endlich ist der große Tag gekommen. Dezent geschminkt, die Haare kunstvoll aufgesteckt und in großer Robe erwarte ich meinen Begleiter. Als Max erscheint, verschlägt es mir die Sprache. Er trägt einen Smoking, der ihm wie auf den Leib geschneidert passt. Seine sonst so wilde Lockenmähne ist einer schicken Kurzhaarfrisur gewichen. Auch seine Harry-Potter-Brille hat er abgelegt, und seine großen braunen Augen mit den mädchenhaft langen Wimpern strahlen mit seinem Lächeln um die Wette.
Zum ersten Mal wird mir bewusst, wie attraktiv mein Freund Max ist, und ich bin stolz, dass er ausgerechnet mich als Begleiterin für diesen Abend gewählt hat.
Auch Max scheint von meiner Erscheinung mehr als begeistert zu sein. Er stellt mich jedem als »meine Freundin
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