Liebeskuenste
finde, du solltest ihm schnellstens die Wahrheit sagen. Mit deinen Lügen machst du alles nur noch schlimmer. Nie, nie wird er unter diesen Umständen wieder etwas mit dir zu tun haben wollen!«
»Was weißt du denn schon!«, geifert die ›Muse‹. »Wenn ich nur die richtigen Tricks und Kniffe anwende, frisst er mir aus der Hand, ganz wie in alten Zeiten. Das hat er immer getan.«
»Aber du hast ihn noch nie so dreist belogen. Naomi, du musst es Roman gestehen, sonst ist eure Freundschaft für immer vorbei.«
»Ach, halt den Mund! Ich weiß schon selbst, was ich tue!« Das Trippeln ihrer Schritte ist zu hören, die sich von der Kabine weg in Richtung Ausgang bewegen. »Jetzt komm schon! Ich hab noch viel zu erledigen.«
Grußlos verlässt sie den Laden, nur Klara haucht ein leises »Auf Wiedersehen!«.
Noch immer stehe ich in BH und Höschen in der Kabine, das Kleid an mich gepresst und kann nicht fassen, was ich soeben mit eigenen Ohren gehört habe. Naomi ist gar nicht schwanger und nach allem, was ich verstanden habe, ist ihre Beziehung zu Roman schon längst kein Liebesverhältnis mehr.
Mein Herz schlägt bis zum Hals, meine Kehle ist trocken. Wieder spähe ich durch den Türspalt und bitte die freundliche Dame hinter dem Ladentisch um ein Glas Wasser, das ich in hastigen Zügen hinunterstürze.
»Haben Sie sich für eines der Kleider entschieden?«, fragt sie, als sie das leere Glas entgegennimmt.
»Ja, ich nehme das da!« Ich deute auf eine türkisfarbene Robe aus einem glänzenden Material. Ich habe es zwar nicht probiert, hoffe aber, dass es passen wird. Im Moment fehlen mir die Nerven für langwierige Anproben.
Ich bin so durcheinander, dass ich mir noch eine passende Stola und eine mit Türkisperlen bestickte Abendtasche aufschwatzen lasse, bevor ich den Laden verlasse.
Meine Gedanken rennen im Kreis wie aufgescheuchte Hühner; ich bin nicht fähig, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Eine einzige Information hat sich in meinem Kopf festgesetzt: Naomi hat gelogen, sie erwartet kein Kind von Roman.
Diese Neuigkeit lässt mich innerlich jubeln, obwohl ich mir unablässig einzureden versuche, dass mich diese Information kaltlässt, da ich mit Roman Hagen nichts mehr zu tun habe. Auch wenn er nicht mehr mit seiner ›Muse‹ liiert ist, bin ich mittlerweile davon überzeugt, dass er kein Mann für eine dauerhafte Beziehung ist. Mein Pech ist, dass ich immer noch in ihn verliebt bin, dass ich meine Gefühle für ihn nicht einfach abstellen kann.
Erschöpft steuere ich das nächste Straßencafé an, wo ich mir einen Smoothie bestelle. Während ich gedankenverloren den vorbeieilenden Passanten hinterherschaue, versuche ich, mir über meine Empfindungen klar zu werden. Was wäre, wenn ich mit Roman sprechen und ihm das soeben Gehörte mitteilen würde? Würde er mir Glauben schenken?
Tu das nicht! , befehle ich mir selbst. In wenigen Wochen wird Naomis Betrug sowieso ans Tageslicht kommen, falls sie nicht clever genug ist, ihm vorher zu beichten. Ob Roman sich noch einmal bei mir melden wird, wenn er die Wahrheit kennt? Oder hat er bereits eine neue Gespielin an seiner Seite und das Interesse an mir längst verloren?
Dann kommt mir ein weiterer Name in den Sinn: Max! Obwohl zwischen uns nur ein freundschaftliches Verhältnis besteht, habe ich das Gefühl, dass er sich Hoffnungen auf mehr macht, aber nicht wagt, mir seine Gefühle zu gestehen. Und während Max mich gern zur Freundin hätte, trauere ich insgeheim Roman nach, dessen Liebe Naomi für sich beansprucht. Aber ob Roman tatsächlich Zuneigung für mich empfindet, steht in den Sternen.
Was für emotionales Chaos!
Während ich noch darüber nachdenke, wie diese Angelegenheit wohl zu entwirren wäre, klingelt mein Mobiltelefon. Es ist Karen, die mir mitteilt, das Xenia mit ihrer Entourage in der Galerie auf mich wartet.
»Ich weiß, dass heute dein freier Tag ist«, entschuldigt sich meine Freundin. »Aber Xenia besteht darauf, das Abschlussgespräch mit dir persönlich zu führen!«
Mein rasendes Gedankenkarussell wird durch dieses Treffen gestoppt, denn Xenia bringt mich auf Trab mit tausend Änderungswünschen für ihre Ausstellung, die schon in wenigen Wochen eröffnet wird. Punktstrahler müssen angeschafft und installiert werden; Rahmen von schlichter Eleganz sollen die Qualität der Bilder unterstreichen, die dieses Mal nicht berühmte Frauen in exklusiver Mode zeigen, sondern die Natur in ihrer ganzen Pracht und Schönheit.
Weitere Kostenlose Bücher