Liebeskuenste
Künstlerin mit ihrem Gefolge ein. Wie eine Königin rauscht sie herein, trotz ihrer geringen Körpergröße imposant und Respekt einflößend. Sie ist in einen Damensmoking aus cremefarbener Rohseide gekleidet, kaum geschminkt, aber auf dezente Weise auffallend. Sobald sie die Galerie betreten hat, beherrscht sie den Raum mit ihrer überlegenen Gelassenheit.
Mich begrüßt sie mit einer kurzen Umarmung und schreitet dann die Reihe der Fotografien ab. Nichts entgeht ihren prüfenden Blicken; ich bemerke, dass sie trotz ihrer zur Schau gestellten Ruhe vor Lampenfieber vibriert.
Als sie sich endlich zu mir umdreht und mit einem kurzen Nicken bestätigt »Alles bestens!«, fällt mir ein Stein vom Herzen.
Nach und nach beginnen sich die Räumlichkeiten zu füllen. Gemeinsam mit Xenia stehe ich in der Mitte des Ausstellungsraums, um die ankommenden Gäste zu begrüßen. Alle Anspannung scheint mit einem Mal von ihr abgefallen zu sein, sie strahlt eine ungeheure Coolness aus. Während ich vor Aufregung kaum sprechen kann, begrüßt Xenia jeden Neuankömmling mit ein paar heiteren Worten oder einem Kompliment. Es kommt mir vor, als würde sie jeden der Gäste persönlich kennen.
Binnen kurzer Zeit ist der Raum derart überfüllt, dass man drängeln und schieben muss, um wenige Schritte voranzukommen. Die Atmosphäre ist gleichzeitig locker und erwartungsvoll, das Summen der Gespräche so laut, dass ich schreien muss, um Gehör zu finden.
»Meine Damen und Herren«, verkünde ich stolz, »ich glaube, ich brauche sie nicht vorzustellen. Hier ist sie, die wunderbare, einmalige Xenia, der wir diese Meisterwerke verdanken!«
Begeisterter Beifall brandet auf, und es bildet sich eine schmale Gasse, durch die sich der Star des Abends seinen Weg zu der zum Büro führenden Treppe bahnt. Als sie ihren etwas erhöhten Platz eingenommen hat, begrüßt sie mit der ihr eigenen Herzlichkeit ihre Fans und Gäste mit einer kleinen Ansprache. Um uns herum tobt ein Blitzlichtgewitter, zahlreiche Fotohandys werden gehoben, um diesen Augenblick festzuhalten. Am Ende streckt Xenia ihre Hand nach mir aus und zieht mich zu sich auf den Treppenabsatz.
»Ich bin entzückt, Ihnen die Gastgeberin des heutigen Abends vorstellen zu dürfen. Ihr und ihren fleißigen Helfern haben wir diese gelungene Veranstaltung zu verdanken!« Sie strahlt und küsst mich auf die Wange. »Einen Applaus für Gina Theiß, der würdigen Nachfolgerin unseres geliebten Harry!«
Hochrufe werden laut, die Anwesenden klatschen, jubeln und pfeifen. Als ich mich aus meiner kleinen Verbeugung aufrichte, meine ich, in der Menge ein mir bekanntes Gesicht zu entdecken. Doch rasch ist es im Publikum verschwunden, und ich glaube, mich getäuscht zu haben.
Einer von Xenias zahlreichen Begleitern reicht mir ein Glas Champagner. Aus der Ferne proste ich der Fotografin zu, die von einem Schwarm Bewunderer umringt ist. Kaum habe ich das Glas an die Lippen gesetzt, als mir jemand von hinten auf die Schulter tippt. Ich drehe mich um und reiße vor Erstaunen die Augen auf. Vor mir stehen meine Eltern.
»Mama! Papa!« So gut es geht, umarme ich sie mit einer Hand und drücke jedem einen Kuss auf die Wange. »Woher wusstet ihr …«
»Karen hat uns eingeladen. Sie dachte, dass sie dir und uns damit eine Freude macht!«, schreit mein Vater mir ins Ohr.
»Eine Riesenfreude! Es ist so schön, dass ihr gekommen seid!«
Meine Mutter legt einen Arm um mich und schaut mich voller Rührung an: »Es ist wirklich bewundernswert, was du aus der Galerie gemacht hast, Kind. Dein Onkel Harry wäre so stolz auf dich. Wie schade, dass er das hier nicht mehr erlebt …«
Mit keinem Wort erwähnen wir unser letztes Treffen und sein unerfreuliches Ende. Meine Eltern freuen sich sichtlich über meinen Erfolg und genießen den Abend in vollen Zügen. Vor allem meine Mutter ist beeindruckt von all der Prominenz, die sich um uns herum tummelt. Immer wieder raunt sie mir den Namen einer Showgröße oder eines Künstlers ins Ohr, dessen Gesicht sie erkannt hat. Doch ihre uneingeschränkte Bewunderung gehört Xenia, wie die aller Anwesenden.
Wohin ich auch schaue, überall sehe ich zufriedene, lächelnde Gesichter. Die Bedienungen sorgen dafür, dass die Gläser stets gefüllt sind und keiner Hunger leidet. Langsam fällt die Anspannung von mir ab, und auch ich beginne, den Abend zu genießen. Als sich Karen durch das Gedränge in meine Richtung schiebt, winke ich ihr zu. Ich möchte mit ihr anstoßen,
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