Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
zuhörte, ab und zu nickte und von seiner Cola trank.
Treeske wußte, daß Lukas mit anderen Frauen verkehrte. Sie waren für ihn Spielzeug. Spielzeug, das zuweilen auch kaputtging. Dann half Treeske, die Scherben zu beseitigen, die Spuren zu verwischen und hoffte, daß es das letzte Mal war.
Nur allzugut kannte sie das Gefühl, das sie gerade überwältigte: die Faust, die ihr den Magen zusammenpreßte, dieses dumme Herzflattern, diese Schwere, die sich plötzlich auf sie legte. Zwar wußte sie im Grunde, daß ihm diese Frauen nichts bedeuteten, dennoch befürchtete sie bei jeder neuen Frau in seinem Leben, sie könnte mehr sein als nur ein Objekt.
Unsinn, sagte sie sich. Das wird eine Bekannte sein, vielleicht eine Seminaristin oder eine Fremde, die sich zufällig an seinen Tisch gesetzt hat und ihm nun ein Gespräch aufdrängt. Am besten wäre es, einfach hinzugehen und ihn anzusprechen. Sie setzte ein munteres Lächeln auf und machte einen Schritt auf die beiden zu. Dabei sah sie, wie die Frau von ihrem Milchkaffee trank, Lukas sich über den Tisch beugte, mit dem Finger einen Rest Milchschaum von ihrer Oberlippe wischte und den Finger dann ableckte. Treeske erstarrte, das aufgesetzte Lächeln gefror. Sie hätte es wissen müssen. Hatte er ihr je das geringste Versprechen gegeben, eine Liebeserklärung, einen Treueschwur? Gerade sie, die Psychologin, hätte doch längst zu der Erkenntnis gelangen müssen, daß Lukas gänzlich unfähig war zu lieben. Aber was ihn betraf, hatten ihre analytischen Fähigkeiten schon immer versagt. Zu verführerisch war die Hoffnung, daß es einen verborgenen Gefühlsfunken in ihm gab, und daß sie die Eine war, die diesen entfachen konnte. Natürlich hatte sie in klaren Momenten gewußt, daß das Idyll der vergangenen Tage nicht ewig dauern konnte. Aber sie hatte so sehr gehofft, daß es diesesmal anders wäre.
Mathildes Anwalt las Schreiben und Vertragsentwurf und schüttelte den Kopf.
»Wann haben Sie und Ihr Mann geheiratet?«
»Am 21. März 2005.«
»Offenbar ist der Kollege im Zivilrecht nicht sonderlich bewandert«, urteilte der Jurist und versicherte Mathilde, sie müsse sich keine Sorgen machen. Kein Familienrichter würde nach so kurzer Ehedauer solche Forderungen gelten lassen. »Nur mit dem Unterhalt müssen wir aufpassen. Aber momentan sind Sie ja selbst arbeitslos, nicht wahr?«
Mathilde nickte. So hatte alles auch seine gute Seite.
Sie hätte an diesem Abend gerne mit Leona gesprochen, ihre Wut in Worte gefaßt und sich vielleicht sogar ein klein wenig bei ihr ausgeheult. Aber Leona ging nicht ans Telefon. Seit dem Umzug hatte sie sich nicht wieder gemeldet. Mathilde fiel ein, daß Leona vor einiger Zeit erwähnt hatte, in den Ferien für ein paar Tage zu ihren Eltern nach Lüneburg fahren zu wollen. Aber warum hatte sie sich nicht von ihr verabschiedet? Vermutlich weil Mathilde vier Tage in einem Keller gehockt hatte. Dennoch war es ungewöhnlich. Schließlich gab es auch in Lüneburg Telefone, und sie hätte wenigstens auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen können. Auch wenn sie angeblich nicht gerne mit Maschinen redete.
Ob sie Jens anrufen und nach Leonas Verbleib fragen sollte?
Sie verwarf den Gedanken und hing lieber wieder ihren Grübeleien nach.
Hatte sie Lukas wirklich geliebt? Oder war es nur, wie sich diese Treeske Tiffin ausgedrückt hatte, die Aura der Gefahr gewesen, die sie fasziniert hatte. Sicher, er sah überdurchschnittlich gut aus, er war kein Dummkopf und kein Langweiler, und das zusammengenommen war schon mehr, als Mathilde normalerweise von einem Mann erwartete. Und er war der erste Mann, der ihr ebenbürtig war. Einer, der ihr nicht gehorchte. Zwar hatte sich auch Moritz ihrem Wunsch, daß er seine Frau verließ, widersetzt, aber diese Weigerung war seiner Schwäche entsprungen. An Lukas hatte sie nie etwas Schwaches bemerkt. Er war ein Alphatier, so wie sie selbst. Das hatte sie angezogen. Ja, sie hatte sich in ihn verliebt, ganz bestimmt. Nur hatten ihre Gefühle dem Alltag und den Problemen nicht standgehalten, während er ihr von vornherein und die ganze Zeit über etwas vorgemacht hatte.
Selber schuld, sagte sie sich. Wie hatte sie sich auf eine Ehe einlassen können, mit einem Mann, den sie kaum kannte? Sie lachte schnaubend. Fast war ihr, als säße Franziska neben ihr, und wiederholte ihre Worte von damals. Damals? Gerade mal ein halbes Jahr war das her. Kaum zu glauben, was zwischenzeitlich alles geschehen
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