Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
die Briefe denken, die er ihr geschrieben hatte. Konnte sich ein Mensch so verstellen? Natürlich, du dumme Pute! Erst recht auf dem Papier und wenn er ein Ziel vor Augen hat: dein Geld.
Gerard Rivalier. Bestimmt besaß Lukas einen falschen Paß auf diesen Namen. Oder sogar einen echten. Fremdenlegionäre erhielten nach zehn Jahren die französische Staatsbürgerschaft. Und konnte man sich beim Eintritt in die Legion nicht einen neuen Namen zulegen, als Schutz vor einer strafrechtlichen Verfolgung?
»Tja, Lukas«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild. »Du bist offensichtlich nicht geübt im Verkaufen von Häusern. Sonst hättest du schon mal von einem Notaranderkonto gehört.« Dort blieb das Geld so lange, bis alle Parteien dem Notar signalisierten, daß das Geschäft abgewikkelt worden war. Das hieß in ihrem Fall, daß Mathilde die Wohnung ordentlich übergab, Keusemanns den vollen Kaufpreis bezahlten und Mathilde die Hypothek bei der Bank tilgte. Letzteres hatte Mathilde noch nicht veranlassen können, weil sie von Montag bis Donnerstag im Keller gesessen und am Freitag ihren Kater auskuriert hatte. Deshalb lag das Geld nach wie vor sicher auf dem Konto des Notars. Eigentor, Lukas Feller, du windiger Heiratsschwindler!
Mathilde setzte sich erschöpft auf den Küchenstuhl und schaute in den Garten, wo das Gras höher denn je wucherte. Ihre Gedanken griffen wie Zahnräder ineinander. Um Geld war es ihm also immer gegangen, von Anfang an. Deswegen hatte er noch im Gefängnis seinen Knastkumpel losgeschickt, sie zu beobachten. Der sollte herausfinden, ob es sich lohnte. Jetzt war auch klar, warum Lukas sie im Keller seines Hauses festgehalten hatte. Er hatte auf die Ausführung seiner gefälschten Überweisung gewartet und verhindern wollen, daß sie ihm in die Quere kam und das Geld womöglich vorher abhob oder woandershin überwies. Wäre sein Plan aufgegangen, säße sie jetzt noch in diesem Loch und er wäre über alle Berge. Seine alten Kameraden aus der Legion würden ihm sicher bei einer Flucht weiterhelfen, mit Unterkünften und falschen Papieren. Oder er wäre rotzfrech hiergeblieben, hätte sie vermißt gemeldet und der Polizei ihren Tod als tragischen Unglücksfall verkauft. Kaltblütig genug wäre er, um das durchzuziehen.
Aber nun war er nicht an das Geld gekommen, hatte sie wieder aus dem Keller befreit und sich sogar um sie gekümmert. Hätte er nicht auch einfach abwarten und sie dann beerben können? Warum wohl hatte er sie rausgelassen?
Eine alte Gewohnheit ließ sie zur Küchenschublade gehen und das Kartendeck herausholen. Wochenlang hatte sie es nicht mehr in der Hand gehabt. Sie mischte lange und genoß es, die Karten durch ihre Hände gleiten zu lassen. Dabei mußte sie an Franziska denken. Was hätte sie zu all dem gesagt? Und Merle? Die hätte es ihm schon gezeigt! Nur, wie?
Endlich zog sie eine Karte. Die Fünf der Kelche – die Schwarze Nacht der Seele, die Trauer um Verlorenes. Sie begegnen den Schattenseiten Ihrer Gefühle.
Richtig, dachte sie: Ich fange an, den Mann zu hassen. Allerdings hätte Mathilde lieber von den Karten erfahren, was Lukas als nächstes vorhatte.
Der Tag war glühendheiß, die Luft stand. Grillen zirpten, in der Ferne schnurrte ein Rasenmäher. Ein Kleingärtnerpaar döste auf Liegestühlen im Schatten. Treeske fühlte den Schweiß auf ihrer Stirn, als sie sich dem Schwarzwaldhäuschen näherte.
»Ab jetzt immer am Montag«, hatte Hanke nach dem erstenmal verlangt. Sie wagte nicht, sich der Anordnung zu widersetzen.
Die Tür war angelehnt. Sie biß die Zähne zusammen und öffnete sie ganz.
Im dämmrigen Licht, das durch die zugezogenen Vorhänge drang, erkannte sie nur Hankes Umriß. Er lag auf dem Sofa.
»Hi«, sagte Treeske leise.
Die Luft war stickig. Nein, es stank so sehr, daß es ihr fast den Atem nahm. Insekten summten. Sie trat näher an ihn heran. Ein Schwarm Fliegen stob auf, und sie schaute in seine glasigen Augen und den Mund mit der herausquellenden Zunge. Als eine Fliege aus der rechten Augenhöhle kroch, sich putzte, und dann wieder zurückschlüpfte, preßte Treeske die Hand gegen den Mund und rannte davon.
Sie übergab sich am Fuß des Fahnenmastes, der den Eingang der Gartenkolonie markierte. Aus dem Schatten einer hohen Kirschlorbeere trat Lukas. Seine Augen glänzten, er lächelte sie an. Sie schob ihre eiskalte Hand in die seine. Sie war warm und gab ihr Halt. Stumm gingen sie über den Parkplatz und stiegen auf ihre Räder. Und
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