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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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der Aufzucht von Hanfpflanzen diente.
    Das Gartentor quietschte. Ein Trampelpfad führte zur Haustür, die in griechischem Kneipenblau angemalt war.
    Mathilde betätigte den Türklopfer dreimal, ehe sie den Schlüssel herausnahm und die Tür aufsperrte. Im Flur war es dunkel. Seit ihre Mutter das Haus bewohnte, roch es dort wie in einem alten Schrank. Etwas Schwarzes flitzte an ihr vorbei nach draußen.
    »Ich bin im Wohnzimmer.«
    Mathilde folgte der Stimme, die einer süßen Rauchwolke entstieg. Sie brauchte kein Licht. Sie kannte dieses Haus, wie man nur Räume kennt, in denen man seine Kindheit verbracht hat. Meine blitzschnelle Kindheit, dachte Mathilde gerade, als ihr ein muffiges Gemisch aus Katzenurin, Rauch und etwas Orientalischem den Atem raubte. Sie eilte ans Fenster, zog die Vorhänge beiseite und stieß die Flügel auf.
    »Mach zu, die Sonne knallt rein.«
    Mathilde zog den schweren roten Vorhang wieder zu. Den Marillenlikör auf dem Tisch sah sie trotzdem. Das Zimmer war vollgestopft mit Möbeln und Krimskrams. Zeitschriften stapelten sich in den Ecken. Nichts erinnerte mehr an die Ordnung und Sauberkeit, die unter Merles Regiment hier geherrscht hatten. Auf der Anrichte, wo früher die Familienfotos gestanden hatten, befanden sich nun Eso-Kitsch und eine Vase mit welken Sonnenblumen. Ihr gelber Blütenstaub bedeckte das Holz.
    Mathildes Mutter saß auf einem Sofa, über das eine Decke mit indischem Muster gebreitet war, und rauchte einen Zigarillo. Neben ihr hatte sich eine schmutzfarbene Katze zusammengerollt.
    »Guten Tag, Franziska.«
    »Warum bist du schon hier? Es ist zwölf. Du kommst doch mittwochs immer erst um zwei. Man kann die Uhr nach dir stellen.«
    »Ich war beim Arzt.«
    »Bist du etwa krank?« Franziska sah ihre Tochter prüfend an. Ihre Augen waren von einem luziden Blau, wie wenn man einen Tropfen Tinte in ein Glas Wasser fallen ließ.
    »Nein, alles bestens.« Der Kardiologe hatte eine »leichte Plaquebildung im Bereich der Karotis« diagnostiziert. Nichts Gefährliches. »Nur eine kleine Alterserscheinung«, hatte er bemerkt, charmant wie er war. Mathilde wurde in diesem Monat zweiundvierzig.
    »Wann wird endlich die Dachrinne repariert?« Das Geld dafür hatte Mathilde ihrer Mutter schon vor Wochen gegeben. Was offenbar ein Fehler gewesen war.
    Franziska rang theatralisch die Hände, ihre Armreifen klirrten. Sie trug eines ihrer indischen Kleider, grasgrün mit einem bestickten Ausschnitt, der recht gewagt war, nicht nur für eine Sechzigjährige. Aber Franziska besaß eine robuste Schönheit, die ihrem wüsten Leben widerstanden hatte.
    »Dieser Handwerker! Er läßt mich wieder und wieder sitzen.«
    Das war eine Lüge, und das wußten beide. Das Geräusch schlurfender Schritte lenkte Mathilde vom Thema ab. Im Türrahmen erschien ein fleckiger, rotgrün gestreifter Kaftan, der sich über einen Buddhabauch spannte.
    »Ah, die Frau Oberlehrer! Welch Glanz in unserer Hütte«, sagte eine Stimme, die knarzig war wie altes Brot.
    »Das ist meine Hütte , nicht eure«, stellte Mathilde richtig. »Und von Glanz kann keine Rede sein, wenn ich mich so umsehe.« Konsterniert schaute der Zeck von Mathilde zu Franziska. Die saß schweigend da, die Augen halb geschlossen, geschützt hinter ihrer Rauchwolke. Dann hatte er sich wieder gefangen und grinste. »Du kommst zu früh zur Generalinspektion. Ich war gerade dabei, den Mülleimer auszulecken.«
    »Ach, daher der Mundgeruch.«
    »Bitte, Mathilde! Wo bleibt deine Kinderstube?« mahnte ihre Mutter in einer gestelzten Art, die nicht zu ihr paßte.
    Kinderstube. Erinnerungen schlichen sich heran: polierte Möbel, Suppenlöffel, die so groß waren, daß sie kaum in den Mund paßten, Sonntagskleider, die nach Hoffmanns Reisstärke dufteten, Lackschuhe und Hüte. Viele Hüte.
    Der Zeck hustete. Es klang, als ob man Holz spaltete. Mathilde riß die Vorhänge wieder auf. Das Licht und der hereinströmende Sauerstoff schlugen ihn in die Flucht, er schob seinen Bauch noch weiter heraus und plazierte seine Schrittchen so achtsam, als ob Glatteis auf dem Parkett herrschte.
    Die Tür fiel ins Schloß. Mathilde nahm den Florentiner ab und fächelte sich damit Luft zu. Die Staubpartikel in den Sonnenstrahlen gerieten in einen wilden Tanz.
    »Wohnt der Zeck jetzt etwa hier?«
    »Nur vorübergehend. Sie haben ihm die Miete erhöht, und …«
    »Erspar mir den Rest«, wehrte Mathilde ab.
    »Stimmt, was rede ich, du hast ja kein Herz.«
    Normalerweise

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