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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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wiederholte er ruhig.
    »Nein, aber …« Es war nicht gut, ein solches Gespräch mit einer Schuldzuweisung zu beginnen. Mathilde fühlte sich zwar erleichtert, die entscheidenden Worte endlich ausgesprochen zu haben, allerdings wußte sie nun nicht weiter. Sie hätte sich nicht von der eigenen Courage überrumpeln lassen, sondern sich zuerst einen Plan zurechtlegen sollen.
    »Aber?« fragte er. Er schien noch immer völlig gelassen, während ihr Herz so heftig klopfte, daß sie glaubte, er müsse es hören.
    »Es ist meine Schuld«, lenkte Mathilde ein, ohne davon überzeugt zu sein. Doch um ihn los zu werden, war sie gerne bereit, die moralische Schuld am Scheitern ihrer Ehe auf sich zu nehmen »Ich hätte mich nie darauf einlassen sollen. Auf eine Ehe, meine ich. Ich hatte mich schon zu sehr ans Alleinsein gewöhnt, an meine Selbständigkeit und meine Freiheit.«
    »Du willst sagen, daß ich dir deine Freiheit nehme? Hast du eine Ahnung, was es bedeutet, seine Freiheit wirklich zu verlieren?«
    Mathilde merkte, wie ihr das Gespräch entglitt. »Nein, so habe ich es nicht gemeint. Es ist nur … Ich kann mit niemandem zusammenleben. Das konnte ich noch nie. Es liegt nicht an dir. Es tut mir leid«, setzte sie hinzu.
    »Es tut dir also leid«, wiederholte er.
    Daß er immer nur ihre Worte wiederaufgriff, anstatt etwas zu entgegnen, verschaffte ihr ein ungutes Gefühl.
    »Du hast einmal gesagt, daß wir beide Einzelgänger sind«, erinnerte sie sich nun. »Ich glaube, du hattest recht damit.«
    Lukas hatte inzwischen die Ellbogen auf die Knie gestützt. Jetzt legte er seinen Kopf in die Hände und wippte mit dem Oberkörper kaum merklich vor und zurück. Diese autistisch wirkende Pose löste bei Mathilde augenblicklich Schuldgefühle aus: Wie kann ich so brutal sein und ihn einfach wegstoßen? Wie muß er sich fühlen? Wen hat er jetzt noch auf der Welt?
    »Lukas, ich …«, begann sie, aber da hob er den Kopf und sah sie an. Echsensaugen, völlig ausdruckslos. Mathilde, die eben noch ganz zerknirscht gewesen war, überlief ein Schauder.
    Er erhob sich. Mathilde zuckte zusammen. Unweigerlich dachte sie an die Nacht in der Waldhütte, als der Wolf seinen Schafspelz für ein paar Stunden abgelegt hatte. Damals hatte ihr seine Maßlosigkeit, seine brutale Gier Angst eingeflößt – nun zitterte sie vor seiner Kälte.
    Nur wenige Schritte vor ihr blieb er stehen. Sie lieferten sich ein Duell der Blicke, bei dem es keinen Sieger gab. Dann ging er, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Mathilde hörte Geräusche aus seinem Arbeitszimmer. Es klang, als würde er Sachen zusammenpacken. Schritte auf dem Flur, dann fiel die Wohnungstür zu.
    Er war fort.
    Nur langsam machten Angst und Beklommenheit der Erleichterung Platz. Mit dem vollen Kognakglas in der Hand trat sie auf den Balkon und atmete die vertrauten Sommerdüfte ein, die die Stadt und der nahe Wald ausdünsteten. Der Himmel schimmerte rötlich, ein paar blasse Sterne waren zu sehen. Alles kommt wieder in Ordnung, sagte sie sich. Ich werde wieder eine Stelle bekommen, ich werde neu anfangen. Ganz egal wo – Hauptsache allein .
    »Auf die Freiheit!« prostete sich Mathilde zu und stürzte den Kognak hinunter. Vom Stadtwald her erklang das Geschnatter einer Ente wie schmutziges Gelächter.
    Ein lauer Sommerwind spielte mit der Tür des Gartenhäuschens. Auf, zu, auf, zu. Sie überwand ihren Ekel und ging hinein. Im Dämmerlicht sah sie den Mann auf dem Sofa liegen.
    »Da bin ich«, sagte sie leise.
    Er antwortete nicht, das tat er nie. Sie kam näher. Die Luft stand. Es roch süßlich. Plötzlich ein leises Summen. Fliegen. Überall waren buntschillernde Fliegen, es summte und brummte, und dann blickte sie in diese Augen, aus deren Höhlen Fliegen krochen, eine nach der anderen, immer mehr Fliegen …
    Sie fuhr in die Höhe. Ihr Rücken war schweißnaß. Sie stand auf, machte Licht und ging in die Küche. Obwohl sie nicht durstig war, trank sie ein Glas Wasser. Dann stand sie am Fenster. Unter ihr glitzerten die Lichter der Stadt. Mit einemmal spürte sie seine Anwesenheit. Wie ein Seismograph. Oder hing es mit ihrem Traum zusammen?
    Sie öffnete die Tür, noch ehe er sich bemerkbar machen konnte. Er stand davor mit seinem Rucksack und einer Tasche. Eine Erklärung abzugeben, kam ihm nicht in den Sinn. Wortlos trat sie zurück, er schloß die Tür von innen und ließ sein Gepäck fallen. Sie wußte, daß sie all die Schwüre brechen würde, die sie sich selbst

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