Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
sie leergeräumt und Franziskas persönliche Papiere an sich genommen. Die Kontoauszüge bestätigten, was Seehafer gesagt hatte: Eine Summe von 58 945 Euro war am 12. Februar 2005 auf dem Konto eingegangen: die Lebensversicherung. In den Monaten danach waren mehrere Abbuchungen und Barabhebungen vorgenommen worden, was durch Franziskas plötzlichen Wandel in Kleidungsfragen erklärt werden könnte. Am 18. Mai allerdings gab es eine Barauszahlung von 50 000 Euro. Wo war diese Summe geblieben? Warum hatte Franziska ihr nichts davon gesagt? Weil ich sie zu dieser Zeit kaum gesehen habe, beantwortete sich Mathilde die Frage selbst. Dafür war ja Lukas zweimal die Woche bei ihr gewesen.
»Warum hast du mir nicht gesagt, daß die Polizei dich vernommen hat?« hatte sie ihn nach dem Gespräch mit Seehafer vorwurfsvoll gefragt.
»Sie haben mich nicht vernommen, sondern befragt. Warum sollte ich eine große Sache daraus machen?«
»Wer hat dich befragt ?«
»Ein freundliche, junge Oberkommissarin, deren Namen ich vergessen habe. Warum?«
»Nur so«, antwortete Mathilde. Wenn er ihr Dinge verschwieg – bitte, das konnte sie auch.
Den Rest des Tages verbrachte sie in ihrem Arbeitszimmer und beantwortete die Trauerpost. Lukas verließ am Nachmittag die Wohnung. Wohin er ging, sagte er – wie immer – nicht.
Kaum war er fort, kam ein Anruf von Rechtsanwalt Nössel.
»Mein Mann ist nicht hier. Kann ich ihm etwas ausrichten?«
»Naja, warum nicht, es ist kein Staatsgeheimnis. Anja Koch ist gestern gestorben.«
»Ist das für den Prozeß gut oder schlecht?« wollte Mathilde wissen.
»Eher gut. Sie hat ihre Aussage gemacht, jetzt kann sie kein Staatsanwalt mehr in die Enge treiben. Aber ich wollte Ihrem Mann noch etwas anderes mitteilen, leider etwas Unerfreuliches«, begann der Anwalt eine längere Erklärung: Laut Haftentschädigungsgesetz erhielten unschuldig Einsitzende für jeden Tag im Gefängnis 20 Mark beziehungsweise rund zehn Euro. Lukas hätte also – vorausgesetzt, er würde im Revisionsverfahren freigesprochen – für die achteinhalb Jahre oder ungefähr 3100 Tage mit rund 31 000 Euro Haftentschädigung rechnen können. »Ist ein Mensch aber wegen seines eigenen Verhaltens mitverantwortlich für seine Inhaftierung«, fuhr Nössel fort zu erklären, »kann sein Anspruch auf Entschädigung gekürzt oder ganz gestrichen werden. Und da Ihr Mann ein falsches Geständnis abgelegt hat, könnte dies durchaus der Fall sein. Das wollte ich ihm vorsichtshalber schon mal mitteilen«, schloß der Anwalt. »Es muß nicht so kommen, aber es ist durchaus möglich.«
»Danke«, seufzte Mathilde.
Seehafer ließ dagegen nichts mehr von sich hören. Nachdem eine Woche vergangen war, rief Mathilde ihn an und erkundigte sich nach dem Fortgang der Ermittlungen.
»Erich Kunze wurde überprüft«, sagte Seehafer. »Auch die Konten dieser Kirchengemeinschaft. Bis jetzt gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, daß das Geld bei ihm oder seinem Verein gelandet ist.«
Und wenn diese Gemeinde nun ein Nummernkonto in der Schweiz unterhält, grübelte Mathilde im stillen. »Und was ist mit Claudia Ammer?« fragte sie laut.
»Die Telefonrückdatenerfassung hat ergeben, daß sie dreimal bei Ihnen angerufen hat.«
»Ich wußte es!«
»Daß sie Sie bedroht haben soll, leugnet sie allerdings, ebenso wie die Beschädigung Ihres Wagens. Wir können ihr das leider auch nicht nachweisen.«
»Großartig. Da fühlt man sich doch gleich viel sicherer.«
»Machen Sie sich mal keine Gedanken um diese Dame. Es sieht ganz danach aus, als hätte sie das Interesse an Ihrem Mann verloren.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Wie man hört, unterhält sie seit einigen Wochen eine Brieffreundschaft mit einem Doppelmörder aus der JVA Sehnde. Sie soll den Mann dort auch schon besucht haben.«
Die Tage bis zu den Sommerferien verstrichen rasch. Keusemann hatte angeboten, sie wegen des Todes ihrer Mutter für die restliche Zeit freizustellen, aber Mathilde hatte abgelehnt. Noch immer hatte sie keine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Leona, als sie am Morgen des letzten Schultages zusammen im Auto durch die Stadt fuhren. »Die Landesregierung hat doch angekündigt, eine stattliche Anzahl neuer Lehrer einzustellen.«
»Aber nicht alle an den Gymnasien«, meinte Mathilde. »Und für Haupt- und Realschulen fehlt mir der Abschluß in Pädagogik.«
»Trotzdem, du hast einen hervorragenden Ruf. Die
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