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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Kraft getreten waren, gab es im Fernsehen häufig Berichte über Empfänger dieser staatlichen Zuwendung. Bislang hatten solche Sendungen Mathilde nicht interessiert, aber jetzt wurde sie hellhörig. Die Frau, die gerade im Bild war, besaß ein angenehmes Auftreten, wußte sich kultiviert auszudrücken und sah gepflegt aus. Sie war neunzehn Jahre lang Chefsekretärin bei einer Versicherung gewesen. Vor zwei Jahren hatte man begonnen, Leute zu entlassen, um Kosten zu sparen. Trotz eines hervorragenden Zeugnisses hatte sie keine Anstellung mehr gefunden. Sie konnte mit Computern umgehen, beherrschte diverse Textprogramme, Excel, Power-Point, zwei Fremdsprachen und mußte nun, da ihre Ersparnisse aufgebraucht waren, von 345 Euro im Monat leben. Immerhin besaß sie eine abbezahlte Eigentumswohnung, die klein genug war, damit der Staat sie ihr nicht wegnahm. Sie war vierundvierzig Jahre alt.
    Diese Frau könnte ich sein, durchfuhr es Mathilde. In wenigen Jahren, wenn der Erlös aus dem Verkauf der Wohnung aufgebraucht wäre, dann säße sie in dem Häuschen in Ricklingen… Nein, wo denkst du hin, Mathilde! Vater Staat würde wahrscheinlich verlangen, daß sie das Haus verkaufte und eine winzige, billige Wohnung in einer heruntergekommenen Gegend bezog … Mathildes Hände krampften sich um die Armlehnen des Sessels. Kalter Schweiß brach ihr aus, ihr wurde übel.
    An der Seite von Franziska hatte Mathilde erlebt, wie es war, von der Hand in den Mund zu leben. Nur ihrer Großmutter war es zu verdanken gewesen, daß man es ihr nicht angesehen hatte. Sie kaufte für Mathilde Schulbedarf und Kleidung, die Franziska naserümpfend als »spießig« bezeichnete. Als Franziska den Sozialfonds der Schule in Anspruch nahm, damit Mathilde an einer Klassenfahrt teilnehmen konnte, wurde Mathilde krank vor Scham. Der Arzt diagnostizierte eine Grippe, aber sie wußte es besser.
    Kein Geld zu haben war das, wovor sich Mathilde am meisten fürchtete. Ein überzogenes Girokonto bereitete ihr schlaflose Nächte, und es hatte sie große Überwindung gekostet, für den Kauf ihrer Wohnung eine Hypothek aufzunehmen. Sie haßte es, Schulden zu haben. Nun, zumindest damit wäre es in kürze vorbei. Die Keusemanns zahlten einen guten Preis für die Wohnung, und nach Abzug des Hypothekendarlehens würde etwa die Hälfte davon übrigbleiben.
    Mathilde schaltete den Fernseher aus. Sie tigerte im Zimmer auf und ab und rechnete: Verkaufspreis minus Darlehen, plus Aktienpaket, plus Zinsen … Bei sparsamster Lebensführung und kluger Geldanlage könnte sie möglicherweise ohne staatliche Unterstützung die siebzehn Jahre bis zum Erreichen des Rentenalters durchhalten. Dabei hätte sie dann in etwa einen Betrag zwischen tausend und tausendzweihundert Euro monatlich zur Verfügung. Fast die Hälfte davon würde ihre private Krankenversicherung verschlingen, und natürlich verursachte der Unterhalt eines alten Hauses mehr Kosten als eine Wohnung. Immerhin könnte sie im Garten Gemüse anbauen. Zeit dazu habe ich ja dann, dachte sie voller Sarkasmus und mußte bitter auflachen. Sparsame Lebensführung. Etwa an der Seite von Lukas Feller? Wie sollte das gehen?
    Der Schrecken über die Fernsehsendung saß so tief, daß sie tat, was sie bisher noch nie getan hatte: Sie ging zum Schrank und schenkte sich einen ordentlichen Schluck Kognak ein. Er brannte in der Kehle, aber er vertrieb auch die Übelkeit.
    Wer Sorgen hat, hat auch Likör, kam ihr ein Wilhelm-Busch-Zitat in den Sinn. Wie wäre es mit einem zweiten? Morgen und in Zukunft wäre ja genug Zeit, um ihren Rausch auszuschlafen. Sie schenkte sich ein, aber kam nicht mehr zum Trinken, denn plötzlich war Lukas im Zimmer. Sie hatte ihn nicht kommen hören.
    »Ist etwas passiert?« fragte er.
    Aufgebracht fuhr sie herum. »Hah! Ich bin arbeitslos, meine Mutter ist tot – was, bitteschön, soll denn noch passieren?«
    Sie hatte das Gefühl, einen Abgrund entlangzuschwanken. Um die Balance wiederzufinden, mußte sie Ballast abwerfen.
    »Ich will, daß wir uns scheiden lassen.«
    Lukas blieb stehen und sah sie forschend an. »Bist du betrunken?«
    »Nein. Ich will, daß wir uns scheiden lassen.«
    »Warum?«
    Mathilde stellte das Glas hinter sich ab. An die Anrichte gelehnt sagte sie: »Weil … weil es nicht funktioniert mit uns beiden. Weil du mein Leben ruinieren wirst. Teilweise hast du es ja schon getan.«
    Lukas setzte sich auf das Sofa und lehnte sich bequem zurück. »Ich habe dein Leben ruiniert«,

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