Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
deswegen bewegten sich meine Arme und Beine nicht mehr, und ich weinte, obwohl niemand es hörte, ich schluchzte vor Reue wegen Udi und Orit, meinen besten Freunden, meiner Familie, ich hatte gewußt, daß die Strafe kommen würde, nun würde ich nie mehr im Leben gehen können. Auf der Trage wird man mich ins Haus meiner Eltern zurückbringen, und sie werden meine Wünsche erraten müssen, aber als ich noch sprechen konnte, ist ihnen das kaum gelungen, wie sollten sie es dann können, wenn ich stumm sein werde, und sie werden an meinem Bett sitzen und mir Geschichten vorlesen, genau wie die Geschichte, die ich gerade hörte, eine bekannte Geschichte, eine bekannte Stimme, und hinter dem ruhigen Ton meiner Mutter verbarg sich eine schlimme Rüge: Du hast heute schamrot gemacht alle deine Knechte, die dir heute das Leben gerettet haben und deinen Söhnen, deinen Töchtern, deinen Frauen und Nebenfrauen, weil du liebhast, die dich hassen, und hassest, die dich liebhaben. Denn du läßt heute merken, daß dir nichts gelegen ist an den Obersten und Kriegsleuten. Ja, ich merke heute wohl: wenn nur Absalom lebte und wir heute alle tot wären, das wäre dir recht. So mache dich nun auf und komm heraus und rede mit deinen Knechten freundlich. Denn ich schwöre dir bei dem HERRN: Wirst du nicht herauskommen, so wird kein Mann bei dir bleiben diese Nacht. Das wird für dich ärger sein als alles Übel, das über dich gekommen ist von deiner Jugend auf bis hierher. Und ich wußte, diese Rüge galt mir, wie hatte ich Orit und Udi gehaßt, die mich doch liebhatten, und Joni, mich selbst und mein Fleisch, aber gleich kam der König zu mir heraus und setzte sich ans Tor, und Friede ergoß sich über das zerrissene Land, und dann hörte ich Aries Stimme, erstickt und aufgeregt, und er sagte, du warst mein Radio, und dann zu jemand anderem, sie war mein Radio während des Kriegs, zehn Tage hat sie an meinem Bett gesessen, nach meiner Verwundung, und mir aus der Heiligen Schrift vorgelesen, dort im Krankenhaus gab es kein anderes Buch.
Und meine Mutter sagte, er hat kein Wort gesprochen, am Anfang habe ich nicht gewußt, ob er mich überhaupt hört, der Arzt sagte zu mir, wechsle ihm den Druckverband jede halbe Stunde und bleib bei ihm sitzen. Und wie merkte ich, daß er mich hörte? Manchmal habe ich ein oder zwei Wörter übersprungen, und da hat er den Mund verzogen, und Arie lachte, nun, ich war ja direkt von einer Jeschiwa gekommen, ich hatte das Feuer der Religion mit dem syrischen Feuer vertauscht, und einen Tag später lag ich mehr tot als lebendig da und hörte einen Abschnitt nach dem anderen, ich dachte, die Tora verfolgt mich, ich kann ihr nicht entkommen.
Nach zehn Tagen ließ ich die letzten Worte eines jeden Abschnitts aus, und er hat sie ergänzt, sagte meine Mutter, das war das erste Mal, daß ich ihn sprechen hörte, und ein paar Jahre später meinte ich ihn in der Universität zu sehen, der Terra Santa, und ich ging zu ihm und sagte, als wäre es ein Losungswort, das wird für dich ärger sein als alles Übel, das über dich gekommen ist, und er antwortete, von deiner Jugend auf bis hierher, und da wußte ich, daß er es war. Wir hatten uns beide sehr verändert, er war ein Kind, als er im Krieg zu uns kam, und auch ich war kaum sechzehn, als meine Schulkameraden schon wie die Fliegen gefallen sind, und nach einer Woche war alles fertig, und man sagte zu uns, geht und baut ein neues Leben auf, studiert, gründet Familien, zieht Kinder auf, wie war das möglich, das Leben war eng geworden vor Trauer, man konnte kaum atmen, plötzlich hatte man eine Vergangenheit, und sie war schwer und zog einen zurück.
Als es mir wieder besser ging, sagte meine Mutter, bin ich aus dem Emek geflohen, es war ein kurzer und mörderischer Besuch, ich habe das Emek nicht in ruhigen Zeiten kennengelernt, ich kam, wurde verwundet, und zwei Monate später war ich wieder in Jerusalem, halb invalide, und manchmal war ich sicher, dieser ganze Krieg wäre nichts als die Frucht meiner Einbildung.
Und ich setzte mich im Bett auf und rieb mir die Augen und dachte, vielleicht ist dieses ganze Gespräch überhaupt nur die Frucht meiner Einbildung, so deutlich hörte ich sie, deutlich und nah, nicht kaum verständlich, durch Wände und Türen, wie ich es schon gewöhnt war, und zugleich kamen verschwommene Geräusche aus der Richtung des Wohnzimmers, ich verstand nicht, was los war, und erst als ich meine Mutter sagen hörte, es ist wirklich
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