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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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fragte, wo ist was, und er sagte, der Zahn, das Stück von meinem Zahn, wo habe ich es hingelegt, ich muß es zum Zahnarzt mitnehmen, und wir machten Licht an und begannen fieberhaft zu suchen, wir drehten die Kissen und die Decken um, und ich stand auf, um im Waschbecken nachzuschauen, und er schrie plötzlich, beweg dich nicht, und kam mit den vorsichtigen Schritten eines Leoparden, der einen Hasen schlägt, auf mich zu, streckte die Hand nach meiner Poritze aus und nahm das verlorene Stück Zahn heraus. Wie Benjamin, in dessen Sack der Becher gefunden worden war, stand ich vor ihm, schuldlos, aber beschuldigt, kein Wort würde helfen, der Finger deutete auf mich, und ich drehte ihm den Rücken zu, und weil ich schon auf dem Weg zum Waschbecken war, lief ich weiter und stellte mich unter die Dusche und wusch mir die dumme Schokolade vom Körper, aber unter dem heißen Wasser wurde ich wütend auf mich, warum mußte ich immer alles kaputtmachen, ausgerechnet wenn er sich erwärmte, blieb ich kalt, und als ich an sein gründliches Lecken dachte, wurde ich plötzlich erregt, die Erinnerung erhitzte mich weit mehr, als die tatsächliche Handlung es getan hatte, aber vielleicht war das ja immer so, vielleicht war es viel erregender, sich Sachen vorzustellen oder sie im Gedächtnis wiederaufleben zu lassen, als sie tatsächlich zu erleben, denn so hatte man die vollkommene Herrschaft über die Situation, und ich genoß die Erinnerung, bis es kein warmes Wasser mehr gab, da verließ ich die Dusche und trocknete mich mit seinem Handtuch ab, und als ich ins Schlafzimmer kam, sah ich, daß er tief schlief, mit offenem Mund, die Zunge über den unteren Schneidezähnen, und in seiner offenen Hand blinkte das abgebrochene Stück Zahn.
    Ohne darüber nachzudenken, mit dieser plötzlichen Freude, die nur aus einer großen Enttäuschung hervorgehen kann, nahm ich mit zitternden Fingern das kostbare einmalige Stück Zahn, für das es keinen Ersatz gab und nie geben würde, und warf es in die Kloschüssel, betrachtete das Wasser, das es sofort bedeckte, und dann sah ich es nicht mehr, denn ich hatte die Wasserspülung gedrückt, und auch er würde es nicht mehr sehen, und das war, so könnte man sagen, noch ein schmutziges und geheimes Schicksalsband zwischen uns.

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    11
    Wann wußte ich, daß alles verloren war? In dem Moment, als ich spürte, wie ich vom Regen naß wurde, als hätte ich kein Dach über dem Kopf, da verstand ich, daß das nicht mein Platz war, daß ich keinen Platz hatte. Ich versuchte von dort zu fliehen, das Bett zu verlassen, das sich in eine Wasserfalle verwandelt hatte, mit dem Kissen, schwer von Wasser, und den Decken, in denen man versank wie in einem Moor, ich konnte die Hand nicht rühren, nicht das Bein, nicht den Hals, wie ein Sack voller Knochen hing ich da, der Regen fiel auf mich, und ich hörte Stimmen um mich herum, Leute, die fragten, ist das ein früher oder ein später Regen? Und eine Mutter sagte zu ihrem Sohn, schau nach, ob die Meerzwiebel blüht und ob die Bachstelze zu sehen ist und ob die Felder voller blauer Lupinen sind, und nach ein paar Jahren kam der Sohn zurück und sagte, Mutter, es war vermutlich ein Spätregen, denn die Felder waren blau wie das Wasser, und der Wind machte Wellen in ihnen, und die Mutter sagte, gut, daß es dir eingefallen ist, zurückzukommen, ich habe inzwischen eine neue Familie gegründet, und er weinte, dann nimm mich in deine neue Familie auf, und sie sagte, aber du hast braune Augen, und wir haben alle blaue, wie wirst du beweisen, daß du zu uns gehörst, und er weinte, ich werde meine Augen ausreißen und mir statt dessen blaue Lupinen einsetzen, und ich versuchte zu schreien, Udi, reiße dir nicht die wundervollen braunen Augen aus, ich liebe sie, aber ich konnte meinen Mund nicht bewegen, ich bin deine richtige Mutter, Udi, du erinnerst dich nicht an mich, ich lag stundenlang auf der Terrasse, ohne mich zu rühren, und er betrachtete mich mit den glänzenden Augen von Udi Schejnfeld, dem Bruder von Orit, meiner Schulfreundin, und sagte, du bist nicht meine Mutter, du wirst ihr nur von Minute zu Minute ähnlicher, und ich sah Masal Schejnfeld vor mir, seine und Orits Mutter, die auf der Terrasse ihres Hauses langsam starb.
    Ich hatte mich immer über ihren Namen gewundert, diese auffallende Verknüpfung zwischen Sephardischem und Aschkenasischem, und fest geglaubt, daß diese Verknüpfung ihr Schicksal bestimmt hatte, wenn sie einen anderen Mann mit einem

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