Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
einem Tag zum anderen lebend, ohne jede Spur von Hoffnung, an der man sich festhalten konnte, und ich sah die schreckliche Leere ihres Lebens, schließlich kommt immer ein Moment, wo man weiß, daß sich nichts ändern wird, ich konnte spüren, wie dieser Moment näher rückte, auf mich zu, der Moment, in dem ich nicht mehr sagen könnte, einmal wird es einen Mann geben, den ich lieben werde, einmal werde ich voller Liebe sein, der Moment, in dem man weiß, daß es in dieser Inkarnation keine Wandlung zum Guten geben wird, in dem man sich sagt, das ist alles, mehr oder weniger, und dann wird alles blaß und verschwommen, verliert mit einem Mal seinen Geschmack und seine Farbe, und das Leben ist nackt, schämt sich seiner Nacktheit, und eigentlich möchte man gleich sterben, dann will man weinen, und schließlich sagt man, wenn es nur nicht schlimmer wird.
Durch den schweren Zopf konnte ich die Bitterkeit ihrer Seele spüren, ich saß auf dem Bett und streichelte ihn, wie man eine Katze streichelt, dann hörte ich, wie die Tür aufging und er in der Öffnung stand, umglänzt vom Licht der Liebe, in der Hand eine große blaue Tasse, blau wie das Hemd, das er anhatte, ein kurzärmliges Sommerhemd mit offenen Knöpfen, so daß es die breite braune Brust entblößte, einige graue Haare lugten hervor, wie um die tiefe Bräune zu betonen, wie an dem Tag, als ich ihn zum ersten Mal sah, nur ging damals der Sommer zu Ende, und nun begann er erneut. Er lächelte mit geschlossenem Mund, verbarg den abgebrochenen Zahn, hielt mir die Tasse hin und sagte, die habe ich vergessen, und stellte sie neben die leere Thermoskanne und wollte sie vollgießen, doch als nichts herauskam, kicherte er und fragte, du hast alles schon getrunken, als hätte ich etwas besonders Witziges vollbracht, und ich sagte, ja, und dann sagte ich, nein, denn ich wollte noch immer Kaffee, und dann sagte er, was hast du mit dir angestellt, und betrachtete mich mit einem vernichtenden Ausdruck im Gesicht, und ich hatte plötzlich nichts mehr, wohinter ich mich verstecken konnte, der Vorhang meiner Haare war zusammengeflochten und mein Gesicht preisgegeben, mit allen Fältchen und Sommersprossen, und sein Gesicht wurde unangenehm, er packte mich am Zopf, zog mit Gewalt an dem Gummi, riß ihn samt ein paar Haaren ab und wühlte grob die drei Haarstränge durcheinander, löschte die Erinnerung an meinen prachtvollen Zopf, und das alles dauerte kaum eine Sekunde, doch mir kam es wie Stunden vor, langsam und erschreckend wie eine mythologische Zeremonie der Teufelsaustreibung, und ich merkte, wie ich zu zittern begann, und dann sah ich, daß er es war, der zitterte, ich wußte schon nicht mehr, wer von uns zitterte, und er setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber und begann zu schreien, geh weg von hier, ich habe genug von deinen Provokationen, und ich fühlte, daß ich keine Luft bekam, daß ich unfähig war, mich zu bewegen, gelähmt wie Masal Schejnfeld, und er stand auf und trat gegen meinen Koffer, stieß ihn in meine Richtung und schrie, genug, diesmal bist du wirklich zu weit gegangen.
Ich stand mühsam auf und zog mich an und begann meine Sachen einzusammeln, ich vergaß auch nicht das Buch und warf alles in meinen Koffer und machte ihn zu, und alles geschah langsam, langsam, ich versuchte, meine Bewegungen zu beschleunigen, aber es gelang mir nicht, als kämpfte ich gegen die Anziehungskraft, und als ich in der Zimmertür stand, setzte er sich auf das Bett, bedeckte das Gesicht mit den Händen und sagte mit einer weicheren Stimme, warum provozierst du mich, was willst du erreichen, und ich sagte, nichts, ich weiß nichts, ich verstehe nichts, und er sagte, dieser Zopf, ich hasse ihn, und ich fragte, warum, und er sagte, wie man eine Schlange haßt, die versucht hat, einen zu beißen, und ich sagte, warum, ich verstehe nichts, und er sah mich von unten bis oben an, wie ein kleines Kind sah er plötzlich aus, und er sagte, weißt du es wirklich nicht? Und ich sagte, ich schwör’s, bei der Heiligen Schrift, bei meinem Leben, und er sagte, so ist sie immer herumgelaufen, deine Mutter, die Prinzessin des Emek, sie hat ihren prachtvollen Zopf gedreht und unsere Gefühle verwirrt mit ihrem Stolz.
Ich erschrak bei dieser Beschreibung und sagte, wie ist das möglich, sie hat dich doch so sehr geliebt, und er lachte bitter und sagte, mich geliebt? Nur sich selbst hat sie geliebt, ich war für sie ein Stück Nostalgie, eine Erinnerung an den Krieg, ein
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