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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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passierten nicht zweimal, und mit bitterer Ergebenheit ging ich sofort zum Schlafzimmer, wie ein Pferd zum Stall, und dort zog ich mich aus und legte mich ins Bett. Er ließ sich Zeit, ich hörte das Telefon klingeln und den Kühlschrank auf- und wieder zugehen, die bekannten Geräusche meines Gefängnisses, dann kam er herein, eine Bierdose in der Hand, gelassen wie ein Tiger, der seiner Beute sicher ist, er zog mit einem erleichterten Seufzer das gestreifte Hemd und die blaue Hose aus und legte sich neben mich, und ich hatte das Gefühl, diesmal müsse ich ihn besänftigen, denn schließlich war ich es gewesen, die das Essen ruiniert hatte, und ich begann seinen Rücken zu streicheln, und er schnurrte vor Vergnügen wie ein großer Kater, und dann fühlte ich eine kleine Erhöhung, die aus der Nähe aussah wie eine Warze auf einem Apfel, geschwollen und länglich, und er sagte, ja, kratz mich dort, und mich ekelte ein wenig, aber ich erinnerte mich, daß man sich, wenn man wirklich liebt, vor nichts ekelt, deshalb fuhr ich fort zu kratzen, um diese Erhöhung herum, bis ich eine Feuchtigkeit unter den Fingern fühlte, die sich rötlich färbte, und ich sagte, dieses Ding blutet, und er sagte, aha, und ich sagte, du mußt zum Arzt gehen, du mußt das behandeln lassen, und er sagte, der einzige Arzt, den ich aufzusuchen bereit bin, ist der Zahnarzt, alle anderen müssen ohne mich auskommen.
    Aber es ist gefährlich, es so zu lassen, sagte ich, und er lachte, noch gefährlicher ist es, das Haus zu verlassen, weißt du überhaupt, wie schwer es ist, heil und gesund zu einem Arzt zu kommen? Und wofür? Ich verlasse mich auf keinen einzigen, jede Krankheit kommt aus einer Quelle, und die kann kein Arzt behandeln, alles kommt von der Seele.
    Dann geh und laß deine Seele behandeln, sagte ich, und er sagte, ich soll meine Seele fremden Händen überlassen? Ich verlasse mich auf niemanden, und ich werde mich von niemandem abhängig machen, und er sprach mit einem solchen Haß, als wären alle Ärzte seine Feinde, und ich sagte, wie können sie dir dann helfen, und er sagte, ich brauche keine Hilfe, von niemandem, das hätte mir noch gefehlt, daß mir jemand hilft, und diese warzenartige Erhebung bewegte sich über seinen Rücken wie ein Käfer, und er sagte, streichle sie, vielleicht hilft das was. Ich fühlte mich abgestoßen, aber trotzdem fing ich an, sie zu streicheln, und allmählich schrumpfte die ganze Welt auf die Größe seiner Warze zusammen, es war eine klare und einfache Welt, ohne Anspannung und ohne Ohrfeigen, nur ein Auftrag, mit dem ich mich ein Leben lang beschäftigen konnte, ihm die Warze zu streicheln, denn wenn man ernsthaft darüber nachdachte, war das nicht erniedrigender als alles andere, ihm den Schwanz oder den Rücken zu streicheln, sogar weniger, denn das hier konnte vielleicht sogar etwas nützen.
    Allmählich hörte das Bluten auf, und seine Atemzüge wurden schwer, und ich dachte, er sei schon eingeschlafen, und hielt einen Moment lang inne, und da hörte ich ihn lachen und sagen, das ist beruhigend, sich um die Warze von jemand anderem zu kümmern, nicht wahr? Wieder in seinem herablassenden Ton, als tue er mir einen Gefallen, auf den ich stolz sein könne, und ich setzte mich wütend im Bett auf, wieso war ich wieder auf ihn reingefallen, wie hatte er es geschafft, alles so zu drehen, als würde ich ihn dringend brauchen, und ich hörte ihn sagen, ich weiß, was du jetzt brauchst, und er zog mich mit Gewalt zurück und setzte mich auf sich, so daß ich mit dem Rücken zu seinem Gesicht saß und vor mir seine glatten, dunklen, bewegungslosen Füße sah, völlig abgetrennt von ihm, unschuldige, jugendliche Füße, die Zehen in einer hübschen Diagonale angeordnet, von den kleinen bis zu den großen, wie es sich gehörte, und als er mich auf sich bewegte, dachte ich, daß ich jedesmal, wenn ich einen Apfel sehen würde, an ihn denken würde, wegen dieser warzenartigen Erhebung, und das bedeutete, daß ich nie aufhören würde, mich an ihn zu erinnern, denn Äpfel sah man überall, so wie man überall Brot roch, und so wurde meine Welt immer verschlossener, und ich würde mit zugehaltener Nase und geschlossenen Augen herumlaufen müssen, und ich versuchte, mich an den Geschmack von Äpfeln zu erinnern, ob sie süß waren wie die Süße, die er mir jetzt im Körper verbreitete, so als hätte er an der Schwanzspitze einen Trichter, aus dem Honig tropfte, und gerade weil er bitter war, war sein

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