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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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die Universität nicht kenne, und ich wurde gereizt, warum redest du solchen Blödsinn, und er richtete sich plötzlich auf und zischte, wage es nicht, so mit mir zu sprechen, hörst du? Und ich stotterte, ich weiß nicht, was du von mir willst, und er sagte, die Frage ist, ob du weißt, was du von dir selbst willst, erst gestern hast du gesagt, daß du für immer hier mit mir zusammensein willst. Stimmt, gab ich zu, aber das heißt doch nicht, daß ich nicht für ein paar Stunden weggehe, ich hatte vor, wegzugehen und zurückzukommen, und er schrie, du brauchst gar nicht zurückzukommen, hast du das verstanden, wenn du jetzt gehst, brauchst du nicht zurückzukommen, und ich blickte verzweifelt auf die Uhr, auf meiner war es neun, und ich wagte nicht, näherzutreten und auf seiner nachzuschauen, wie spät es jetzt war, und vor lauter Druck fing ich fast an zu weinen, was willst du, was willst du von mir, und er sagte, ich will gar nichts von dir, ich will nur, daß du konsequent bist, wenn du sagst, daß du für immer hier mit mir zusammensein willst, wie kannst du jetzt sagen, daß dir ein Termin an der Universität wichtiger ist als ich, und ich schrie, du verdrehst alles, schau doch, wie du alles verdrehst, warum ist das überhaupt ein Widerspruch, warum muß ich wählen, reicht es nicht, daß ich in den großen Dingen wählen muß, und jetzt noch bei Kleinigkeiten? Und wenn ich es eilig habe, um zu einem Termin zu kommen, warum heißt das gleich, daß ich dich nicht liebe, und er sagte, weil ich es so sehe, und du mußt auf mich Rücksicht nehmen, und dann sagte er sofort in seinem herablassenden Ton, nicht, daß ich dich hier unbedingt brauche, ich wollte nur deine Worte auf die Probe stellen, und ich sehe, was ich immer gewußt habe, du bist ein ungedeckter Scheck, du redest einfach nur dahin, du hast keine Ahnung, was es heißt, zu lieben, wie sich eine wirkliche Frau verhält, wenn sie liebt.
    Ich glaube es nicht, schrie ich, ich kann einfach nicht glauben, daß ich das wirklich höre, und er fuhr fort, und ich kann einfach nicht glauben, daß ich dir erlaubt habe, in Joséphines Bett zu schlafen, sie war eine wirkliche Frau, sie wußte, was es heißt, zu lieben, nicht wie du, und ich brüllte, in meinem ganzen Leben hatte ich nicht so gebrüllt, aber sie ist tot, du Ehebrecher, deswegen ist sie gestorben, du hast sie umgebracht mit deinen verrückten Prüfungen, die du die ganze Zeit mit ihr angestellt hast, und er brüllte sofort zurück, wie kannst du es wagen, mich zu beschuldigen, hau schon ab.
    Das ist es ja, was ich zu tun versuche, schrie ich, und er verkündete mit einem siegesbewußten Schnauben, siehst du, du gibst es selbst zu, deine Verabredung ist nur eine Ausrede, und ich verließ das Zimmer und knallte die Tür so fest zu, wie ich nur konnte, und ich hörte seine finstere Stimme hinter meinem Rücken, ich warne dich, Ja’ara, wenn du jetzt gehst, hast du keinen Ort mehr, wohin du zurückkommen kannst, und ich sagte, ich habe wirklich keinen Ort mehr, an den ich zurückkommen kann, aber ich vergaß, diese Worte zu schreien, und so blieben sie nur für mich. Ich rannte hinaus, und als ich aus dem Treppenhaus trat, sah ich ein Taxi vor dem Haus halten, aus dem feierlich die Trauerfamilie stieg, die Mutter und die Schwester und ihr Mann, die Mutter nickte mir grüßend zu, offenbar erinnerte sie sich an mich von gestern, und ich sagte, bon jour, und achtete auf meine Aussprache, aber meine Stimme flatterte vor Weinen, das immer schlimmer wurde, je weiter ich mich von dort entfernte, und auf dem ganzen Weg bis zur Haltestelle verfluchte ich erst ihn und dann mich, wie hatte ich mich so irren können, wie hatte ich ihn nicht so sehen können, wie er war, warum hatte ich nicht kapiert, daß er von meiner Abhängigkeit von ihm abhängig war, daß dies das einzige war, was er von mir wollte.
    Ich saß in dem leeren Autobus am Fenster, betrachtete durch die Tränen die Straßen der Stadt und den Schornstein des Krankenhauses, aus dem weißer Rauch aufstieg, und dachte an Tirza, die dort lag und vor der Wüstenlandschaft in ihrem kleinen Spiegel las, und in dem schmalen Bett neben ihr lag eine neue Kranke, mit Ehemann oder ohne, mit Kindern oder ohne, was spielte das in diesem Stadium schon für eine Rolle, und dann stieg ich aus und ging durch die kühlen Korridore der Universität, neue, erstickende Keller, ab und zu von einem großen Fenster aufgerissen, durch das die Welt sehr viel verlockender

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