Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Geschichte sie nicht beschuldigt?
Er nahm mir das Buch aus der Hand und las, seine Augen glitten besorgt über die Wörter. Ja, gab er zu, es sieht so aus, als sprächen ihre Handlungen nicht gegen sie, und daher kann man sie nicht beschuldigen, auch wenn sie schuldig ist, kann man sie nicht beschuldigen.
Ja, bestätigte ich, aber wissen Sie, wen diese Geschichte außer dem Zimmermann und seinem Gehilfen noch beschuldigt?
Wen, fragte er angeregt, und ich sagte, Sie, mich, alle Hörer und Leser aller Generationen, die sich zu dieser vereinfachten, zu Tränen rührenden Auffassung verführen ließen und die wirkliche Handlung der Geschichte ignorierten. Es ist das leichteste, Mitleid mit dem betrogenen, erniedrigten und weinenden Ehemann zu haben, aber wie ist es möglich, die grausamen, schicksalhaften Details zu ignorieren? Diese Geschichte führt ihre Leser in die Irre, stellt sie auf die Probe, und sogar wir haben sie nicht bestanden.
Er seufzte, Sie haben recht, und breitete seine Arme wie zur Entschuldigung aus, sein geliebtes Buch barg einen großen Schatz in sich, und ich wußte, daß er es nicht mehr aus der Hand geben würde, aber warum, glauben Sie, führt diese Geschichte uns in die Irre?
Warum, glauben Sie, führt uns das Leben in die Irre, fragte ich, und er hob die Augen zu mir, und ich sah den Kampf zwischen ihnen, das eine Auge war für mich, das andere gegen mich.
Erinnern Sie sich, was Gott Moses geantwortet hat, sagte ich dem mich bestätigenden Auge, Moses schrieb die Tora und beschwerte sich über einen Abschnitt, der alle möglichen Ausreden zuließ, und Gott sagte, Ben Amram, es steht geschrieben, wer irren möchte, der irre! Glauben Sie, daß man einen Fehler verhindern kann? Wer einen Fehler machen möchte, wird es tun, und wir beide wollten uns offenbar irren, als wir diese Geschichte lasen, jeder aus seinen eigenen Gründen, und das ist nicht schlimm, weil alle drei bereits tot sind und ihr Urteil unterschrieben, aber wenn man sich irrt, wenn man die Geschichte seines eigenen Lebens entschlüsseln will, bezahlt man einen wirklichen Preis. Das ist es, was ich bei meiner Abschlußarbeit untersuchen möchte, ich werde versuchen, noch andere Geschichten von der Zerstörung des Tempels zu finden, die den Leser absichtlich in die Irre führen, die ihn dazu bringen, sich selbst in die Irre zu leiten, denn der Fehler ist vor allem geistiger Art, deshalb muß seine Korrektur auch geistiger Art sein, sehen Sie das nicht auch so? Der Himmel ist voller anstehender Urteile, die noch nicht gesprochen sind!
Er blickte erstaunt zu dem Streifen Himmel, der im Fenster zu sehen war, und lächelte fein. Ich werde mich freuen, wenn Sie weiteres Material finden, sagte er, ich kann mir allerdings keine weiteren Geschichten vorstellen, die zu Ihrer These passen, aber versuchen Sie es, falls es Ihnen gelingt, könnte das sehr interessant sein, wenn nicht, ist es schade um die Zeit.
Das könnte man für alles im Leben sagen, sagte ich, wenn es nicht gelingt, ist es schade um die Zeit, es ist schade, geboren zu werden, wenn einem nichts gelingt, schade zu heiraten, wenn es nicht gelingt, und er sagte, ja, aber hier ist es leichter nachzuprüfen, die Kriterien sind klarer, und ich sagte, sie sind in jedem Bereich ziemlich klar, nur fällt es einem schwer, das anzuerkennen.
Vielleicht haben Sie recht, sagte er, ging aber nicht weiter darauf ein, ich möchte von Ihnen innerhalb einer Woche ein Exposé Ihrer Abschlußarbeit, sonst können Sie im nächsten Jahr nicht weitermachen, und ich erschrak, nur eine Woche? Schließlich mußte ich in dieser Woche versuchen, mein ganzes Leben zu retten, wie sollte ich es da schaffen, aber er blieb hart, das ist Ihre letzte Chance, Ja’ara, man hat mich gedrängt, auch darauf zu verzichten, aber wegen Ihres Trauerfalls bin ich bereit, Ihnen diese Chance zu geben, aber wenn Sie nicht bald etwas vorweisen können, kann ich nichts mehr für Sie tun.
Und wenn ich es in einer Woche nicht schaffe, versuchte ich es trotzdem, und er sagte mit Nachdruck, dann wird jemand anderes die Stelle bekommen, es tut mir leid, und ich sagte, gut, ich werde es versuchen, und erhob mich schwerfällig, und er lächelte, versuchen reicht nicht, es muß gelingen, und ich flüsterte, Professor Ross, wenn Sie wüßten, was ich für die Einhaltung dieses Termins geopfert habe, und er fragte, Entschuldigung, was haben Sie gesagt?
Nichts, murmelte ich, es gibt einen Moment, da ist nichts mehr einfach,
Weitere Kostenlose Bücher