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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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daß er rückwärts zu gehen schien, so allein, daß es aussah, als würden alle vor ihm zurückweichen, als wäre er krank, und er beteiligte sich nicht an den fröhlichen Ausrufen und an der Aufregung, in sich versunken kam er, über der Schulter hing seine vertraute Tasche, sein Gesicht war blaß und besorgt.
    Ich sah, wie er mit halbgesenkten Lidern seine Blicke wandern ließ, er suchte mich, insgeheim suchte er mich, voller Scham suchte er mich, und ich wollte schon zu ihm laufen, ihn umarmen, aber etwas hielt mich zurück, eine Art Lähmung wie die Krankheit, an der die schöne Masal Schejnfeld gelitten hatte, und während seine Augen näher kamen, kindlich und hoffnungslos, fast ein wenig hündisch, verwirrt auf etwas Gutes hoffend, trotz allem, sein weicher schwerer Körper in seinem nachlässigen Gang, sah ich ihn plötzlich vor mir, Joni, der sich von mir getrennt hatte, Joni, der für sein eigenes Leben verantwortlich war, und ich dachte, laß ihn, laß ihn gehen, steh ihm nicht im Weg, denn an seiner Seite sah ich plötzlich eine durchsichtige Gestalt gehen, leicht an ihn gelehnt, ich sah Joni, den Glücklichen, mit strahlenden Augen und energischem Gang, und die Diskrepanz zwischen beiden Erscheinungen war scharf und stechend, und Joni, der Glückliche, blickte mich gleichgültig an, völlig unabhängig, und der armselige Joni schaute sich verzweifelt um, und ich wußte, selbst wenn ich mich jetzt voller Wärme auf ihn stürzen würde, dann wäre es eher die Wärme, mit der sich ein Tier auf seine Beute stürzt, und ich sah, wie hinter ihm eine junge Frau in einem lilafarbenen Hosenanzug kam, mit schnellen Schritten, und aus der Menge lief ein junger Mann mit hellen Locken auf sie zu, und die beiden umarmten sich leidenschaftlich, und Jonis Blick ruhte auf dem Paar, folgte neidisch ihrer Umarmung, und von meinem versteckten Platz aus betrachtete ich sie ebenfalls mit Neid, und ich verstand, daß dieser Neid das einzige war, was uns nun verband, das einzige, was wir gemeinsam hatten, der Neid auf ein schönes, verliebtes Paar.
    Er war schon an mir vorbeigegangen mit seiner kindlichen Stupsnase, und ich sah seinen gekränkten Rücken, ich sah, wie sich sein erstaunlich schmaler Nacken von einer Seite zur anderen drehte, er suchte mich, trotz allem suchte er mich, und ich war wütend wegen dieser Suche, die immer jämmerlicher wurde, nie werde ich dir das verzeihen, sagte ich, diese Suche, nachdem du auf mich verzichtet hast, und ich verschwand in der Menge, beobachtete ihn von weitem, seinen Rücken in dem grünkarierten Hemd, seine leicht nach vorn geneigten Schultern, und nun verließ er die Halle, ging langsam auf den Taxistand zu, das Grün seines Hemdes wurde grau, auf einmal war es regnerisch geworden, und ich sah, wie sich der Himmel öffnete, die dünne Haut der Welt bekam einen Riß, und dahinter war ein großes elektrisches Strahlen zu sehen, und ich dachte, wenn das Blitze sind, wo ist dann der Donner, wie läßt sich das trennen, ein Blitz ohne Donner, das ist wie eine Braut ohne Bräutigam, und wieder riß der Himmel auf, und es schien, als teilten die Blitze die Erde in zwei Teile, eine Hälfte für mich, die andere für ihn. Er war in seiner Hälfte schon fast verschwunden, stand gehorsam in der Warteschlange für ein Sammeltaxi, und ich, in meiner Hälfte, beobachtete ihn hinter einem geparkten Auto hervor, mein weißes Kleid war fleckig von dem schmutzigen Regen, einem mit Sand vermischten Regen, kaum zu glauben, daß es einmal weiß gewesen war, ebenso schwer zu glauben, daß ich einmal voller Erwartung gewesen war, ja voller Hoffnung, daß ich geglaubt hatte, wir würden Arm in Arm nach Hause gehen und uns vor den Kuchen und die Blumen setzen, aber ich hatte vergessen, daran zu denken, was danach kommen würde, an den Augenblick, wenn wirklich ein Mensch vor einem anderen Menschen stehen mußte, und vor dem zerbrechlichen, zerbrochenen Leben, das rachsüchtig und nachtragend war, das sich durch keine Täuschung besänftigen ließ.
    Ich setzte mich auf den nassen Gehweg und beobachtete, wie er in der langen Reihe schnell vorwärts kam, vor einem Augenblick war er noch der letzte gewesen, jetzt bereits unter den ersten, wer durchhielt, kam am Schluß doch an, wie sich herausstellte, man brauchte nur an einer Stelle stehenzubleiben, und ich bewegte mich von einer Stelle zur nächsten und war immer die letzte und schaffte es nicht, im richtigen Moment wegzukommen, und ich sah, wie er in

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