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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Stapel zu, und ich wich zurück und sagte, noch nicht, ich habe einen Haufen Sachen zu erledigen, ich komme später wieder.
    Sie zuckte mit den Schultern und stürzte sich hungrig auf den Stapel, und ich ging hinaus, schwebte wie ein Geist durch die Korridore meines früheren Lebens, die Rolltreppe hinunter, die zum Bus führte, und er setzte sich auch gleich in Bewegung, ich wußte nicht, wohin ich so dringend wollte, schließlich erwartete mich zu Hause nichts, außer einem kleinen Zettel, den ich an der Tür fand, hastig zusammengefaltet, und darauf stand in der schönen Schrift meiner Mutter, Joni kommt heute nachmittag um halb vier an, hol ihn ab! mit einem dicken Ausrufezeichen, und ich betrat die dämmrige Wohnung und las den Zettel wieder und wieder, wieviel Drohung und Angst verband sich hinter diesen wenigen Worten und dem Ausrufezeichen, und ich sagte, arme Mama, arme Mama, vielleicht hundertmal sagte ich das, und dann armer Papa, und dann armer Joni, armer, armer, armer Joni.
    Ich schaute auf die große Uhr an der Wand, und es war schon fast zwölf Uhr, und ich rief am Flughafen an, man erwartete tatsächlich ein Flugzeug aus Istanbul, um fünfzehn Uhr dreißig, und ich dachte, woher weiß sie, daß Joni in diesem Flugzeug ist, was hat sie getan, um das herauszufinden, um mein Leben zu retten. Die Anstrengung, die sich hinter den wenigen Worten verbarg, brach mir das Herz, und ich bestellte schnell einen Platz in einem Sammeltaxi, erst dann schaute ich mich um und wußte nicht, womit ich anfangen sollte, und ich lief zum Lebensmittelgeschäft und kaufte Brot und Wein und verschiedene Käsesorten und Gemüse und Obst, vor allem grüne Äpfel, die er am liebsten hatte, und im Laden daneben kaufte ich Blumen, einen Strauß weißer Blumen, wie es sich für jemanden gehört, der aus den Flitterwochen zurückkommt, und immer aufgeregter rannte ich nach Hause und räumte alles in den Kühlschrank und warf das alte Essen weg, ich zog die Rolläden hoch und öffnete die Fenster, um den schüchternen Frühling einzulassen, er zögerte, kam aber schließlich doch herein und verteilte sich mit leichten tänzelnden Schritten in den Zimmern.
    Mit einem Schlag war ich tüchtig und energisch geworden, geradezu glücklich, und ich beschloß, ihm zu Ehren einen Kuchen zu backen, Schokoladenkuchen, den mochte er am liebsten, und auch ohne Kochbuch erinnerte ich mich an das Rezept, obwohl ich den Kuchen seit Jahren nicht mehr gemacht hatte, und während er im Herd war, fing ich an, die Wohnung zu putzen, wischte begeistert den Kummer und die Vernachlässigung weg, und ich beschloß, daß es gelingen müsse, denn wenn er sah, welche Mühe ich mir gegeben hatte, würde er mir verzeihen, der Kuchen würde ihm den Rest geben, wenn alles andere es nicht schaffte, und ich wechselte die Bettwäsche, bereitete das Bett für unsere verspätete Liebe und dachte fast nicht an Arie, und auch wenn ich an ihn dachte, dachte ich nicht wirklich an ihn, denn ich hatte es zu eilig, meine Hände hatten es zu eilig, meine Füße hatten es zu eilig, und sogar mein Herz klopfte schnell, als würde ich eine Hochzeit vorbereiten, denn das soll der Tag sein, dachte ich, für mich und den lieben Joni, der mir verzeihen muß. Man muß hinabsteigen, um wieder aufsteigen zu können, werde ich zu ihm sagen, man muß Abschied nehmen, um sich wiederzusehen, und heute werden wir uns zum ersten Mal treffen, unser erstes wirkliches Treffen, und ich werde nicht zulassen, daß er sich mir verweigert, ich werde ihn mit Liebe füllen, wie man einen leeren Behälter füllt, er wird voller und voller werden, und vor lauter Liebe wird er sich nicht rühren können, und am Abend werden wir meine Eltern besuchen, Hand in Hand, vielleicht umarmt, und meine Mutter wird sehen, daß alles in Ordnung ist, daß sie sich keine Sorgen zu machen braucht, daß es jemanden gibt, der auf mich aufpaßt.
    Ich wusch mich schnell und machte mich zurecht, nur leicht und nicht zuviel, wie er es gern hatte, und ich zog ein weißes Kleid an, obwohl es an einem normalen Tag ein bißchen albern aussah, in einem so festlichen Kleid herumzulaufen, aber heute war meine Hochzeit, in der Ankunftshalle des Flughafens würde meine wahre Hochzeit stattfinden, und alle Fluggäste und alle Abholer würden die Gäste sein, sie würden auf ihren Koffern sitzen und dem aufregenden Treffen von Braut und Bräutigam zusehen, und alle zusammen wären unsere Trauzeugen, und alle würden laut um uns herum

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