Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
singen, sie würden unsere Schultern berühren und singen, man wird in den Bergen Jehudas und in den Mauern Jerusalems die Stimme des Bräutigams und die Stimme der Braut hören, die Stimme der Freude und des Glücks, und wie die Pilger an den drei Wallfahrtsfesten werden wir alle in einem großen Zug zur heiligen Stadt hinaufsteigen.
Aufgeregt breitete ich den Teppich auf dem Boden aus und holte den dunklen Kuchen aus dem Herd und stellte ihn neben die Blumen, und diese Verbindung von Braun und Weiß erinnerte mich an ihn, an den Moment, als meine Hand auf seiner lag, und ich ordnete die Äpfel in der Schale, und fast auf jedem entdeckte ich eine braune warzenartige Erhebung, und ich ärgerte mich, daß ich ihn auf diese Art nie vergessen würde, und ich drehte die Äpfel so, daß einer die Warzen des anderen verbarg, und plötzlich wurde mir klar, warum es zwischen uns nicht gutgehen konnte, denn statt seine Warze zu verbergen, hatte ich sie betont, deshalb war es nicht gutgegangen, aber es wird mir nicht leid tun, denn heute werde ich heiraten, und in der Nacht, in diesem Bett, werde ich schwanger werden und all mein Leiden und all meine Freuden und all meine Ängste und all meine Erinnerungen und all meine Enttäuschungen und all mein Staunen und all mein Erschrecken und all meine Begierden, alle zusammen werden zu einem neuen Geschöpf werden, weich und schön, fröhlich und wild, einer Tochter, die in zwanzig Jahren in der Schachtel mit den alten Fotos herumwühlen wird, und ab jetzt werde ich nur noch für sie leben, denn mein Liebesleben hörte heute auf, mit dieser Fahrt im Taxi, vorsichtig, um mein weißes Kleid nicht zu beschmutzen, mein Hochzeitskleid.
Ich drückte mich in dem vollen Taxi ans Fenster, und aus dem Augenwinkel sah ich die Flamme, einen Baum hinter einem der Häuser, über und über voller roter Blüten, eine nicht erloschene Fackel, und ich sah, daß ich damals nicht geträumt hatte, auf der Fahrt nach Jaffo, es war wirklich passiert, und dieser Wipfel erinnerte mich an eine große Gefahr, ich sollte ihn mir nicht aus der Nähe anschauen, so wie es verboten war, in die Sonne zu blicken, und ich wandte die Augen zu der Frau neben mir, jung, mit einer geblümten Kopfbedeckung, die einer älteren Frau, vielleicht ihrer Mutter, von einem Säugling erzählte, der in ihrem Haus geboren und nach zwei Tagen gestorben war, und man konnte ihn nicht begraben, weil es keine Beschneidung gegeben hatte, also beschnitt man ihn nach seinem Tod, und ich erschrak, was war mit der Vorhaut, begrub man ihn mit der Vorhaut, oder hatte die verwaiste Mutter sie in Zeitungspapier gewickelt und im Kleiderschrank versteckt, wie meine Mutter ihren schönen Zopf, der sogar in der Schublade lebensvoller war als sie.
Das Taxi blieb vor dem Eingang stehen, und ich betrat mit feierlichen Schritten die Halle meiner Hochzeit, betrachtete die Eingeladenen und fand es ein wenig seltsam, daß ich keinen kannte, schließlich waren sie meine Gäste, und niemand kam, um mich zu beglückwünschen, vermutlich war eine Braut ohne Bräutigam schwer zu erkennen, aber gleich, wenn Joni kommt, wird sich alles aufklären, er wird das Laufband entlangkommen, ernst und düster, bis er mich sieht, dann wird sein Gesicht vor Freude rot werden, wie jener Baumwipfel wird es glühen, ich werde auf ihn zulaufen, und gemeinsam werden wir unter den Glückwünschen des Publikums durch die Halle schreiten, damit er endlich versteht, um was es geht. Ich stand da, verborgen hinter dem breiten Rücken eines jungen Mannes, denn plötzlich hatte ich schreckliche Angst, er würde vielleicht nicht allein kommen, vielleicht würde sich jemand auf seinen gebräunten kräftigen Arm stützen, der vor dem Hintergrund seines nackten Körpers immer aussah wie eine Prothese, und vielleicht würde er nicht zu unserer geputzten Wohnung eilen, sondern zu ihrer, irgendeine Alleinreisende, die ihr Glück gar nicht fassen konnte, und ich wurde immer überzeugter, daß es genau so geschehen würde, aber trotzdem, so beschloß ich, würde ich auch dann nicht aufgeben, die Hochzeit würde stattfinden, auch wenn der Bräutigam nicht frei war, vor der Nase seiner neuen Geliebten. Die Passagiere strömten durch die Tür, eine laute und dichte Herde ohne Hirte, blickten sich voller Hoffnung auf eine erfreuliche Überraschung um, und um mich herum winkten alle möglichen Hände, liebende Hände, die sich nach einer Berührung sehnten, und dann sah ich ihn kommen, so langsam,
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