Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
richtige Antwort aus seiner Schülerin hervorzulocken, und fragte, warum, was liebst du an mir? Und ich hatte das Gefühl, daß genau dies der Punkt war, auf den das Gespräch hinsteuern sollte.
Was ich an ihm liebte? Ich kannte ihn doch gar nicht, was konnte ich schon an ihm lieben, und trotzdem, wenn ich es gesagt hatte, mußte ich dazu stehen, und so zögerte sich meine Antwort hinaus, und je länger sie sich hinauszögerte, um so verlegener wurde ich, dabei merkte ich, daß er angespannt wartete, und schließlich stotterte ich, ich weiß nicht, ich kann nicht klar beantworten, was ich an dir liebe, und trotzdem weiß ich, daß ich dich liebe.
Wie kannst du mich dann lieben, er hörte sich enttäuscht an, fast aggressiv, das ist also nur eine ungedeckte Aussage.
Wieso denn, ich fühlte mich verwirrt, ich kannte ihn wirklich kaum, aber manchmal kommt die Liebe vor dem Kennenlernen, wie eine Art inneres Wissen, doch in dem Moment wußte ich, daß ich tatsächlich leere Phrasen von mir gab, denn das war keine Liebe, wie sollte es Liebe sein, und er sagte, wie als Rache für die ausbleibende Antwort, ich muß los. Nein, geh nicht, platzte ich hysterisch heraus, als würde meine Welt erneut zusammenbrechen, wenn er jetzt ging, und er richtete sich wichtigtuerisch auf und sagte, schau mal, Ja’ara, du bist nicht vorsichtig genug, und so, wie du Dinge behauptest, ohne zu wissen, warum, so könntest du auch Dinge tun, ohne daß du weißt, warum, Dinge, für die es dir an der notwendigen seelischen Kraft fehlt. Das richtige Leben verlangt schwere Entscheidungen, deren Folgen du nicht unbedingt aushalten kannst, deshalb bleib lieber bei dem Leben, das du hast. Hör zu, du darfst nicht zulassen, daß jedes erstbeste Hindernis den vorgesehenen Lauf der Dinge stört, und ich, fast erstickend vor lauter gutem Willen, Stärke und Kraft zu beweisen, sagte, aber wie weiß man, was ein Hindernis ist und was der vorgesehene Lauf der Dinge? Und er sagte, ich glaube, man weiß das, ich glaube, daß jeder, der einen Fehler macht, das von vornherein weiß, er kann sich nur einfach nicht beherrschen. Die Überraschung liegt vielleicht in der Größe des Fehlers, aber nicht in der Tatsache seines Auftretens.
Doch diese gewichtigen Worte hinderten seine braune Hand mit den langen Fingern nicht, sich auf mein Knie zu legen, und ich streichelte einen Finger nach dem anderen, ich wagte nicht, alle auf einmal zu berühren, dafür schob ich seine Hand schließlich nach oben, unter meinen Rock, und er ließ sie dort, nicht an der Stelle, die ich wollte, aber doch ganz in der Nähe, so nahe, daß ich das Gefühl hatte, es könne mir jeden Moment kommen, und vor lauter Aufregung konnte ich den Kaffee nicht austrinken, ich dachte die ganze Zeit an seine langen Finger, die vor der Tür zu meinem Körper innehielten.
Aber dann zog er plötzlich seine Hand zurück, als hätte ihn etwas gestochen, und warf demonstrativ einen Blick auf seine Uhr, eine riesige schwarze Uhr ohne Zahlen und mit durchsichtigen Zeigern, ich konnte nicht erkennen, wie spät es war, ich wußte nur, daß es nicht gutgehen würde, und er stand schnell auf, ich muß weg, es ist schon spät, aber ich wollte nicht aufgeben und dachte die ganze Zeit, wie schaffe ich es, ihn zurückzuhalten, und dann sagte ich, ich muß zur Toilette, er zeigte mir ungeduldig den Weg, und ich setzte mich auf den Toilettendeckel, in Kleidern, und überlegte, wie kann ich ihn aufhalten, wie kann ich ihn beherrschen, und dann wusch ich mir die Hände vor dem Spiegel und sah plötzlich im Waschbecken ein rotes Haar, glatt und gerade, es wollte davonschwimmen, doch ich erwischte es im letzten Moment, bevor es durch den Ausguß schlüpfen konnte, ich betrachtete es so lange, bis ich keine Zweifel mehr hatte, von welchem Kopf es stammte. Vor mir sah ich, wie in einem Rückspiegel, ihr Bild und drehte mich mißtrauisch um, als würde mich diese geheimnisvolle Nichte gleich anfallen, hier, aus der Badewanne heraus, und tatsächlich entdeckte ich am Wannenrand noch ein Haar, diesmal ein Schamhaar, gelockt und etwas dunkler, und dachte, was soll das bedeuten, wohnt sie hier? Mit ihm und seiner Frau? Einen Moment lang beruhigte es mich, daß sie offensichtlich wirklich zur Familie gehörte, trotzdem kam mir etwas daran noch immer zweifelhaft vor, und wie um meinen Protest zu zeigen, zog ich mir ein Haar aus und legte es neben das andere ins Waschbecken, ich wollte auch das Schamhaar nicht allein lassen,
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