Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
deshalb legte ich eines von mir daneben, das dem anderen überraschend ähnlich sah.
Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, sah er ruhiger aus, und er sagte, ich habe einen Anruf bekommen, die Verabredung ist verschoben, ich habe noch ein paar Minuten Zeit, und ich bedauerte, daß ich kostbare Minuten im Badezimmer vergeudet hatte, aber ein bißchen wunderte ich mich auch, denn ich hatte kein Telefonklingeln gehört, und ich setzte mich neben den blauen Hocker, der Kaffee war schon ganz kalt geworden, und sein konventioneller Gesichtsausdruck bedrückte mich, ich überlegte, wie geht es weiter, was kann man tun, und da fragte er, was willst du eigentlich? Ich, vor lauter Bedrücktheit, sagte, was willst du? Hast du keinen eigenen Willen? Und er sagte, ich habe einen eigenen Willen, aber es gibt kein Gleichgewicht zwischen uns, du bist so hungrig, und ich bin so satt. Sofort nahm ich die Finger von der angenagten Schokoladenkugel, versuchte, seine Worte zu ignorieren, und wußte doch, daß er recht hatte, ich fühlte, wie der Hunger mich innerlich auffraß, das war das Wort, Hunger, nicht Begierde, denn ein Verhungernder ißt alles, und dann betrachtete er meine Hände, die manikürten Fingernägel, und auch ich betrachtete seine Hände, überlegte, wie ich sie zu mir zurückbekommen könnte, und hörte ihn in entschiedenem Ton sagen, ich werde heute nicht mit dir schlafen, Ja’ara, und ich, aus lauter Verwirrung, fragte, warum nicht, und er sagte, weil ich heute schon mit einer Frau geschlafen habe, er sprach ganz ernst, als würde er sagen, ich habe heute schon Rindfleisch gegessen, und der Arzt erlaubt mir nicht, zweimal am Tag Fleisch zu essen. Na und, sagte ich, und er sagte, ich schlafe nicht an einem Tag mit zwei verschiedenen Frauen, ich habe meine Prinzipien, und die ganze Zeit hoffte ich, daß er nur Spaß machte, daß er gleich in ein befreiendes, angenehmes Lachen ausbrechen würde, aber das passierte nicht, und am Schluß fing ich an zu lachen, vor lauter Anspannung, nicht gerade ein befreiendes und angenehmes Lachen, und er fragte, was denn so witzig sei, und ich sagte, nichts, wirklich nichts, und versuchte, mich zu beruhigen, denn nichts war witzig, im Gegenteil, und ich sagte, nun, man muß dich also am frühen Morgen erwischen, wer zuerst kommt, mahlt zuerst, oder kann man einen Termin bestellen, oder was? Er wich ein wenig vor meinem Spott zurück und sagte kühl, komm, lassen wir es so, ich will dir nur Unannehmlichkeiten ersparen, aber ich konnte offenbar auf Unannehmlichkeiten nicht verzichten und setzte mir in den Kopf, ihn dazu zu bringen, seine Prinzipien zu durchbrechen, deshalb sagte ich, es gibt immer Ausnahmen, und er sagte, ja, das habe ich auch schon gehört, und betrachtete mich mit ausdruckslosen Augen, und ich versuchte, mir sein erregtes Gesicht vorzustellen, als er mit ihr schlief, mit diesem Mädchen mit der Zigarettenspitze, schließlich konnte sie beides sein, sowohl die Nichte seiner Frau als auch seine Geliebte, das widersprach sich nicht, oder er tat es mit ihr, wie er es mit mir getan hatte, verschlossen und kalt, und da sagte er, ich bin morgen früh frei, ganz beiläufig, ging zur Garderobe, nahm seinen schwarzen Mantel und zog ihn an, vorsichtig, wie einen kostbaren Gegenstand. Ich klammerte mich an seine Worte, fragte, um wieviel Uhr, und er sagte, ich bin ab etwa neun Uhr frei, und machte die Tür auf, gab mir ein Zeichen, ihm zu folgen, und ich dachte, was mache ich bis morgen um neun?
Aber die Zeit ging schnell vorbei, Schira war zwar beschäftigt oder tat nur so, um mir auszuweichen, seit ihre Katze verschwunden war, hielt sie sich von mir fern, deshalb fing ich an, die Wohnung zu putzen, ich machte Musik an und tanzte mit dem Besen, umarmte seinen harten Stiel, hatte festliche Gefühle, denn endlich, endlich gab es etwas, worauf ich warten konnte, und hatte Angst zu denken, was danach sein würde, zum Beispiel morgen um zwölf oder morgen um diese Zeit, deshalb konzentrierte ich mich aufs Saubermachen, und als Joni kam, blickte er sich erfreut und mißtrauisch um, konnte kaum fassen, was ihm da Gutes passiert war, und ich war glücklich und stolz, als ich seine Freude sah, und wußte, daß er nun wieder das Gefühl hatte, eine Rolle zu spielen.
Du siehst aus wie jemand, der von einer Krankheit genesen ist, sagte er, und ich sagte, ja, so fühle ich mich auch, und er umarmte mich und sagte, ich war so frustriert, Wühlmäuschen, ich habe nicht gewußt, was mit dir los
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