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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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wolle er meine Entschlossenheit prüfen, meine Willensstärke, und jetzt, nachdem ich die Prüfung bestanden hatte, war er zufrieden wie ein Lehrer über seine Schülerin, fast stolz. Er servierte mir Kaffee in einer blauen Tasse, die ebenfalls die Sonne widerspiegelte, und gähnte, ich bin ganz erschlagen, sagte er, ich bin erst heute morgen aus dem Ausland zurückgekommen. Wirklich? Ich staunte, wo warst du? Und er sagte, hauptsächlich in Frankreich, und ich fragte, eine Vergnügungsreise? Er lachte, was heißt da Vergnügungsreise, Arbeit, und ich erinnerte mich, daß meine Mutter gesagt hatte, daß er vermutlich mit irgendwelchen Sicherheitsangelegenheiten zu tun hatte, und ich fragte, was für eine Arbeit, und er sagte, Knochenarbeit und ein bißchen Gehirn, er lachte und deutete sich an den großen Kopf, der von grauen, feuchten Haaren bedeckt war, vermutlich war er gerade aus der Dusche gekommen, und er gähnte noch einmal. Dieses Gähnen hatte etwas Übertriebenes, mir kam es gespielt vor, vielleicht war es ihm einfach nicht angenehm, daß ich ihn an einem Morgen müßig zu Hause antraf, einen Langschläfer, und mir fiel ein, daß mein Vater gesagt hat, er hätte gestern mit ihm gesprochen, und ich konnte nicht anders und fragte, ob er etwas von meinem Vater gehört habe, und er sagte, nein, wirklich nicht, ich werde ihn heute anrufen und fragen, ob er eine Antwort für mich hat, und ich dachte, was geht hier vor, einer von beiden lügt. Ich versuchte herauszufinden, wer von ihnen ein stärkeres Motiv hatte, Arie wollte beweisen, daß er im Ausland war, und mein Vater wollte meine Mutter ärgern, sie sollte sehen, daß sie sehr wohl in Verbindung standen, und ich fragte mich, wem ich glauben sollte, und wie um seine Behauptung zu bestätigen, holte er eine Tafel Schokolade aus dem Schrank, direkt aus dem Duty-Free-Shop, und packte sie umständlich aus. Und wie war’s, fragte ich, und er sagte, hart, und machte ein wichtiges und ernstes Gesicht, und wieder fragte ich mich, warum er in seiner eigenen Wohnung weniger anziehend wirkte als in meinem Kopf, wie ein alter Tiger saß er mir jetzt gegenüber, mit diesem höflichen Gastgeberlächeln, trank genüßlich den Kaffee, den er auch für sich zubereitet hatte, ach, das ist gut, seufzte er, und ich konnte mich nicht erinnern, daß er beim Ficken so geseufzt hätte, er steckte sich eine Zigarette an, und der Rauch begann um ihn herumzutanzen, und meine Anspannung ließ angesichts seiner erstaunlichen Freundlichkeit nach. Ich lutschte die bittere Schokolade und betrachtete ihn mit vorsichtigen Augen, denn noch immer gab es keine Nähe, sein Körper war mir vollkommen fremd, geheimnisvoll, auch seine Freundschaftlichkeit war nicht intim, als wäre nie etwas gewesen, wirklich gar nichts, und es schien, daß auch nie etwas sein würde, nie würde ich sein Wesen in mich eindringen fühlen, mit dieser wilden, unangenehmen Männlichkeit, warum sollte ich es leugnen, angenehm war es nicht gewesen.
    Nun, was hast du zu erzählen, sagte er, und ich war verwirrt, nichts, eigentlich, was hatte ich mit ihm zu tun, was konnte ich diesem völlig Fremden erzählen, es gab kein Thema, mit dem ich anfangen könnte, und er fragte, was hast du in den letzten Wochen gemacht, und ich dachte mit plötzlicher Beschämung an die qualvollen, schrecklichen, langsamen Tage, an die Reue, an die schrille Begierde, wie ein Alptraum kam mir das alles plötzlich vor, lang und kompromißlos, wie eine Krankheit, für die man sich schämt, nachdem man gesund geworden ist, und ich sagte, es war schwer, genau wie er seine Reise genannt hatte, und versuchte sogar, seinen ersten wichtigtuerischen Gesichtsausdruck zu imitieren. Warum, was war so schwer, fragte er vollkommen unschuldig, als habe er gar nichts damit zu tun. Doch die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, daß diese Fragen auf etwas Bestimmtes abzielten, das war kein Zufall, wie seine Zufriedenheit an der Tür nicht zufällig gewesen war, und ich sagte, du weißt, warum, und er sagte, keine Ahnung, und ich flüsterte, weil ich dich wollte. Mich? Er lächelte demonstrativ überrascht, wirklich? Ja, sagte ich, dich, und wiederholte, es war schwer, denn eigentlich wußte ich nicht, wie man so etwas nannte, so unmöglich hörte es sich in dieser glänzenden Küche an, und er fragte, aber warum, und ich flüsterte, weil ich mich für die Worte schämte, ich liebe dich, und er lächelte wieder wie ein Lehrer, der es endlich geschafft hatte, die

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