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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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ist, und er wich sofort zurück, weil er Angst hatte, ich würde gereizt reagieren, doch ich beruhigte ihn, ich fühle mich sehr viel besser, Biber, verzeih mir, wenn ich dich verletzt habe, und er sagte, bitte dich selbst um Verzeihung, nicht mich, denn vor allem hast du dich selbst verletzt. Du hast recht, sagte ich und dachte daran, wie sehr ich mich am Anfang bemüht hatte, ihn zu lieben, wie ich an ihn gedacht hatte, so, wie ein Trauernder ständig an einen Toten denkt und jeden fröhlichen Gedanken von sich weist, und nun kam sie zurück, meine Liebe zu ihm, wie eine verschwundene Katze nach Hause zurückkommt, den Duft der weiten Welt ausstrahlt und nicht sicher ist, ob sie erwünscht ist oder nicht, und ich empfing sie erstaunt und glücklich, wie recht er hatte, der Taxifahrer, man konnte zwei Männer lieben, es war sogar leichter, zwei zu lieben, denn das schaffte ein seelisches Gleichgewicht, die beiden Lieben ergänzten einander, und das war keineswegs beängstigend, wieso hatte ich nie zuvor daran gedacht, und vor lauter Erregung wegen dem, was mich am kommenden Tag erwartete, hatte ich das Gefühl, daß auch Joni mich erregte, ich setzte mich auf seinen Schoß und küßte seinen Hals, komm, gehen wir ein bißchen aus, flüsterte ich ihm ins Ohr, mir reicht es, den ganzen Tag in der Wohnung. Er lachte, gerade wenn die Wohnung sauber ist, lohnt es sich, zu Hause zu bleiben, aber ich zog ihn an der Hand, mach dir keine Sorgen, sie wird nicht schmutzig werden, bis wir wiederkommen, und wir gingen hinaus auf die Hauptstraße, und genau an der Stelle, wo ich damals den Schlag gehört hatte, diesen herzergreifenden Schlag, sagte ich zu ihm, los, laden wir Schira ein, mit uns zu kommen, und er war nicht begeistert, aber auch nicht dagegen, und sie machte uns mit einem traurigen Gesicht die Tür auf, nein, ich habe wirklich keine Lust auszugehen, sagte sie, draußen sei es kalt und sie sei erkältet, und außerdem, sagte sie zu mir, habe ich gedacht, du wärst krank, ich habe heute Neta in der Cafeteria getroffen, und sie sagte, du wärst wieder nicht zu deiner Sprechstunde erschienen, und ich schlug mir an den Kopf, wie hatte ich nur vergessen können, daß heute Mittwoch war, was war los mit mir, plötzlich existierte nichts mehr außer ihm, und ich war drauf und dran, meine Chance zu verlieren, denn eine feste Stelle wird nur alle paar Jahre mal frei, und am Schluß würde nicht ich sie bekommen, sondern Neta. Ich hatte das Gefühl, als würde Schira sich über meine Schwierigkeiten freuen, seit jenem Abend gönnte sie mir nichts, und ich konnte mich nicht beherrschen und fragte, was ist mit Tulja, ist er zurückgekommen? Bis jetzt nicht, sagte sie, und Joni sagte mit seiner beruhigenden Stimme, er ist bestimmt liebeshungrig, Kater verschwinden immer, wenn sie liebeshungrig sind, und dann kommen sie wieder, und Schira widersprach, das ist nicht die Jahreszeit dafür, und ich sagte, doch, sie ist es, ich habe viele läufige Katzen in der Umgebung gesehen, ich fühle, wenn so etwas in der Luft liegt, und Schira zuckte gleichgültig mit den Schultern und sagte, ich fühle es wirklich nicht, und sie lehnte sich an die offene Tür, ihr bringt Kälte rein, entscheidet euch, ob ihr rein- oder rauswollt, und ich sagte, wir gehen, und Joni versuchte es noch einmal, vielleicht willst du trotzdem mitkommen, und ich war sauer auf ihn, weil er keinen Charakter hatte, denn vorher wollte er es nicht und auf einmal doch, aber Schira hatte Charakter, sie sagte, nein, wirklich nicht, ein andermal.
    Als wir wieder auf der Hauptstraße waren, fühlte ich mich bedrückt und verstand auf einmal das Glück nicht mehr, das ich noch eben empfunden hatte, Glück war nicht das richtige Wort, sondern Vollkommenheit, es war ein großartiges Gefühl der Vollkommenheit gewesen, das ausgerechnet aus dem Zwiespalt hervorging, in den ich geraten war, dem Zwiespalt zwischen meiner Liebe zu Joni und dem Hingezogensein zu diesem düsteren alten Mann, und statt unter diesem Gefühl der Zerrissenheit zu leiden, hatte ich geglaubt, sie passe genau zu mir, doch Schiras ernster Blick hatte mich wieder schwankend gemacht, auch der Gedanke an die Sprechstunde, die ich vergessen hatte, und Joni fühlte vermutlich, daß meine gute Stimmung schwand, denn er wurde besorgt, trommelte mit seinen dicken Fingern auf dem runden Caféhaustisch und bewegte sein Bein zugleich energisch und nervös vor und zurück. Wir bestellten Zwiebelsuppe, und ich versuchte,

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