Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
wichtig, etwas für ihr Baby zu machen, und das ist gut so. Wieso denn ein Pullover, sagt Ilana, soll sie ihrer Kleinen einen Brief in die Adoptionsakte legen, das werde ich jedenfalls tun, und wenn sie eines Tages achtzehn ist und sich die Akte anschaut, wird sie zu mir zurückkommen, es ist, als würden die Adoptiveltern sie nur für mich aufziehen, und ich sage, achtzehn Jahre, das ist viel Zeit, mehr Zeit als dein bisheriges Leben, du kannst nicht wissen, was deine Tochter dann empfinden wird, ob sie dich sehen will oder nicht. Deshalb werde ich ihr einen besonders schönen Brief schreiben, sagt Ilana, damit sie mich finden kann, ich werde schreiben, daß ich viel Geld habe oder ein berühmtes Model bin, und ich lächle verwirrt, weil ich nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll angesichts dieses kurzen, schweren Körpers mit dem zerquetschten Gesicht. Ilana, sage ich, ihr Wille, dich zu sehen, wird überhaupt nichts mit Dingen wie Geld oder Ruhm zu tun haben, du mußt die Beziehung auf Wahrheit aufbauen, du mußt ihr erzählen, wie alt du bist und welche Schwierigkeiten dich dazu zwingen, sie wegzugeben, damit sie ein besseres Leben hat, versuche nicht, irgend etwas zu schönen.
Sag mir bloß nicht, was ich zu tun habe, zischt sie am Waschbecken, und ich gehe schnell zum Büro. Chani folgt mir, weißt du, was ich möchte, sagt sie, ich möchte ihr selbst diesen Pullover anziehen, nach der Geburt, und wenn ihre Adoptiveltern dann kommen, um sie zu holen, werden sie sie in dem Pullover sehen, den ich für sie gestrickt habe, ich möchte, daß sie ihr, wenn sie groß ist, erzählen, daß ihre richtige Mutter ihr einen Pullover gestrickt hat. Ich lächle sie an, in Ordnung, Chani, ich verspreche dir, daß es so sein wird, mach dir keine Sorgen, aber sie drängt sich an mich, mit ihren Stricknadeln und der Wolle, ich möchte, daß es ihr erstes Kleidungsstück wird, verstehst du? Und ich sage, klar, beeil dich nur, dein Bauch hat sich schon gesenkt, und du hast gerade erst angefangen, und als ich sie betrachte, wundere ich mich wieder über die grausame Laune der Natur, schwangere Frauen sehen in meinen Augen immer achtunggebietend und stolz aus, sie sind für mich die höchsten Offizierinnen in der Armee der Natur, und doch sind diese hier nur Mädchen, selbst fast noch Kinder, denen eine schwere, ungewollte Last auferlegt wird, und gleich packt mich auch die Wut auf Udi, wie jedesmal, wenn ich Vorwürfe gegen die Natur habe, fällt mir Udi ein, ihr begeisterter Verteidiger, und zornig erinnere ich mich an seinen harten, mit Nadeln gespickten Körper und an das brennende Räucherstäbchen auf seinem Kopf.
Als ich das Büro betrete und die Formulare hole, habe ich wieder einmal die Worte vor Augen, mit denen dieser furchtbare Verzicht zu Papier gebracht wird, emotionslos, als handelte es sich um den Antrag auf einen Reisepaß oder eine Namensänderung, ich stecke die Papiere in die Tasche, nehme aus dem Schrank mit den Geschenken eine Packung mit Seife und Körpercreme, und als ich Annat im Flur treffe, bitte ich sie, Chawa zu sagen, daß ich zur Entbindungsstation gefahren sei, und sie fragt erstaunt, jetzt schon, du bist doch gerade erst gekommen. Ich möchte es hinter mich bringen, sage ich, paß bitte auf Ilana auf, sie ist in einer mörderischen Stimmung, und Annat lächelt, nicht nur sie, und erst an der Tür überlege ich, wen sie mit dieser Bemerkung wohl gemeint haben mag, mich, Chawa oder sich selbst, aber was spielt das für eine Rolle, es ist nur wichtig, daß ich Ja’el nicht begegne, als ich das Haus verlasse, sie hat ihr schreckliches Schicksal in die Hand genommen und ist auf ihren hohen Absätzen verschwunden, sie hat mir keine Möglichkeit hinterlassen, sie zu finden, nur die Schatten glühender Blätter streicheln genau die Stelle, wo wir gesessen haben.
Dieser Ort, an dem das Leben anfängt, dieser neonbeleuchtete Korridor ohne jedes Mysterium, diese schwachen Körper, die nichts verbergen, ihr leidender und trotzdem stolzer Gang wie der von Kriegsverwundeten, die wissen, daß ihre Schmerzen einen Sinn haben, dieser Ort hier zieht mich magisch an, ich bewege mich zwischen den unsicher umherwandernden Frauen und weiß, daß ich nie so sein werde wie sie, nie werde ich gebückt und glücklich durch diesen Korridor schlurfen, ich werde nie wieder ein Kind haben. Ein paar Jahre lang habe ich geglaubt, es würde alles gut werden, Udi würde sich schließlich fügen, aber jetzt ist mir klar, daß
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