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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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auf diesen Stufen, und hielt die kleinen Kätzchen in den Armen. In diesem Gebüsch kamen sie immer auf die Welt, sie tobten zwischen den Farnen herum, und ihre kleinen Schwänze zitterten zwischen Licht und Schatten. Von der Treppe aus belauerte ich sie, wartete auf ihre ersten neugierigen Schritte in die Welt, lockte sie mit einem Schüsselchen Sahne, schnüffelte an ihrem Fell, in dem milchige Wärme hing. Und da ist die westliche Terrasse, hier wohnten, laut und provozierend, die Tauben unter den Dachziegeln und bedeckten den Terrassenboden mit ihren Exkrementen, und meine Mutter schrie, wohin soll das noch führen mit diesen Tauben, sie schleppen Krankheiten an, vertreib sie, bevor sie uns alle anstecken, und mein Vater betrachtete hilflos die Nester, hin- und hergerissen zwischen seinem Mitleid für die Tauben und dem Wunsch, meine Mutter zu beruhigen. Manchmal faßte er Mut und entfernte ein oder zwei Nester, nachdem er heimlich die Eier in ein anderes Nest gelegt hatte, aber nie schaffte er es, die Tauben zu vertreiben, erst als meine Mutter das Haus verlassen hatte, in seiner ersten einsamen Nacht, fiel er zornig über die Nester her, über die Eier und die Jungvögel, es war ein regelrechtes Pogrom, das er veranstaltete, und die Kunde von dieser Schreckensnacht verbreitete sich unter den Tauben, so daß sie es nicht wagten, zurückzukehren, fast dreißig Jahre sind vergangen, und noch immer gibt es hier auf der Terrasse keine Tauben mehr.
    Seltsam, niemand lebt hier, und trotzdem ist der Rasen so gepflegt wie ein Grab, um das sich heimlich jemand kümmert, ja, hier liegt der Rest seines Lebens begraben, die Einsamkeit seiner leeren Zimmer, in denen er ohne Bitterkeit ihr Weggehen beweinte, als sei er eigentlich damit einverstanden, als hätte er an ihrer Stelle dasselbe getan. Immer habe ich gedacht, wenn sie ihn wegen eines anderen Mannes verlassen hätte, hätte er das leichter ertragen als so, da sie wegen aller Männer auf der ganzen Welt gegangen war und ihm keinen Angriffspunkt für seinen Zorn gelassen hatte, besiegt in einem Kampf, an dem er nicht teilgenommen hatte, er hatte nichts mit Kämpfen im Sinn, er sehnte sich immer nur nach Ordnung und Gelassenheit, nach einem ruhigen Leben ohne Abenteuer, sogar ohne Überraschungen durch das Wetter, aber sie überraschte ihn trotzdem, ausgerechnet sie, die so froh gewesen war, als er sie vom schweren Leben mit ihren hartherzigen Eltern befreit hatte, von den beiden kleinen Brüdern, die sie aufziehen mußte, und ihr ein eigenes Haus gegeben hatte, wer hätte voraussehen können, daß ihr das alles nicht reichen würde.
    Sofort nach ihrem Weggehen tauchten hier auf der schmalen Straße Frauen auf, nicht mehr ganz junge, breithüftige Frauen, die versuchten, ihn davon zu überzeugen, daß dieses Leben ihnen reichen würde, aber er wollte nur seine aufsässige junge Frau, neben ihr war jede andere lästig und so langweilig wie er, und er wollte ja nicht sich selbst, sondern sie, jeden Moment wäre er bereit gewesen, sie wieder aufzunehmen, aber sie kam nicht, obwohl ihr danach nichts gelang, nichts klappte, weder Tanzen noch Singen noch Schauspielerei, sie war nicht jung genug oder nicht talentiert genug, nur bei uns zu Hause war sie der Star gewesen, doch seltsamerweise zerbrach sie nicht, sie war stolz auf ihre Fähigkeiten, beobachtete zufrieden die Trümmer ihres Lebens, als wäre es ihr größtes Verdienst, ihr Versagen zu leugnen. Schon seit Jahren möchte ich sie fragen, wie sie die Erkenntnis erträgt, daß ihr Leben schiefgegangen ist, noch dazu, wo sie einen so hohen Preis bezahlt hat, aber sie ist jetzt ganz anders, so schnell ist ihre Schönheit verblüht, so schnell sind ihre Träume vergangen, sie ist eine andere Frau geworden, es scheint, als wisse diese alte Frau mit dem breiten, bitteren Gesicht nichts mehr von der jungen Frau, die mein Leben zerstört hat, warum sollte ich sie mit alten Geschichten beunruhigen?
    Wieder gehe ich an ihrem Schlafzimmer vorbei, versuche, durch die Ritzen des geschlossenen Rolladens einen Blick hineinzuwerfen, schiebe den Vorhang aus Hibiskusblüten, die schlaff vor Hitze herunterhängen, zur Seite, ich habe Lust, den Rolladen zu schütteln, bis er den Mund aufmacht und mir erzählt, was dort in ihrem Schlafzimmer, dem kleinsten Raum des Hauses, passiert ist, zwei Betten gab es dort, sie schlief in dem breiteren, er in dem schmalen zu ihren Füßen, das morgens unter ihres geschoben wurde, damit man überhaupt

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