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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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solltest du das Gegenteil tun, und er sagt, ich denke schon seit Monaten darüber nach, ich weiß, daß ich keine Wahl habe, so, wie wir leben, werden wir krank, zwischen uns gibt es nur Streit, nur negative Gefühle, ich kann in dieser Atmosphäre nicht mehr existieren, ich enttäusche dich die ganze Zeit, ich enttäusche Noga, ich kann so nicht weitermachen, ich bin nicht bereit, die nächsten vierzig Jahre im Schatten deines Zorns zu leben, und da hebe ich plötzlich den Kopf, als würde mein Hals wie durch eine Feder gespannt, und schreie, also um uns nicht zu enttäuschen, gehst du weg, das ist es, was du tust, statt zu versuchen, etwas zu reparieren? So stellst du dich der Aufgabe?
    Es gibt Dinge, die nicht zu reparieren sind, sagt er, damit muß man sich abfinden, schließlich handelt es sich nicht um einen aufgetrennten Pullover, den man neu stricken kann, zwischen uns ist etwas zerbrochen, und wir haben es nicht geschafft, es wieder zusammenzusetzen, ich gebe dir nicht die Schuld, wir sind beide schuld, aber du kannst so weiterleben und ich nicht, und plötzlich reißt er den Mund auf und gähnt, entblößt seine spitzen Zähne, und ich verfolge die Bewegung seines Mundes, der mein Leben zermalmt, und ausgerechnet dieses Gähnen bringt mich zum Weinen, wie kann er jetzt gähnen, er zeigt mir durch dieses beschämende Verhalten den Wert, den ich in seinem Leben einnehme, ich war doch der Mittelpunkt seines Lebens, fünfundzwanzig Jahre lang, ein Vierteljahrhundert. Du liebst mich nicht mehr, schluchze ich, und er sagt, ich liebe unser Leben nicht mehr, ich liebe mein Leben nicht mehr, ich muß etwas ändern, und ich sage, aber was ist mit mir, was ist mit deiner Liebe zu mir? Und er sagt leise, ich fühle sie nicht, schon seit ich krank wurde, habe ich sie nicht mehr gefühlt, und ich weine, was werde ich ohne seine Liebe anfangen, wie kann ich ohne sie leben, ich bin nicht bereit, auf sie zu verzichten, ich muß versuchen, sie wiederzuerwecken. Warum ausgerechnet solch eine Veränderung, warum aufstehen und weggehen, vielleicht fahren wir alle drei weg, lassen das alles hinter uns, versuchen, irgendwo neu anzufangen, das ist die Veränderung, die du brauchst, Udigi, laß uns die Wohnung verkaufen und weggehen, du mußt keine Reisegruppen mehr herumführen, du kannst in Ruhe deine Dissertation zu Ende schreiben, und schon klammere ich mich an diese glückliche Vorstellung, ermutige mich, er wird es nicht ablehnen, ich werde es schaffen, ihn zu überzeugen. Udi, verstehst du nicht, sage ich nachdrücklich, jetzt fast gelassen, das ist wie eine Prophezeiung, du hörst Stimmen, du weißt nicht, wem du glauben sollst, du weißt nicht, welchen Weg du einschlagen mußt, erst wenn etwas vorbei ist, weiß man, wer der wahre Prophet war und wer gelogen hat, es stimmt ja, wir haben Probleme, aber wie kommst du nur darauf, daß dies die Lösung sein könnte, alles im Stich zu lassen und wegzugehen, vor den Problemen zu fliehen, was für eine armselige Lösung wäre das, so bringt man Dinge in Ordnung? Wie kommst du überhaupt auf die Idee, daß es dir freisteht, zu gehen? Ich habe nie das Gefühl gehabt, mir würde so etwas freistehen, ich habe noch nicht einmal über diese Möglichkeit nachgedacht, mir war klar, daß man diesen Konflikt nur von innen lösen kann, und auch du wirst sehen, daß du nur so gesund werden kannst. Du hast dich nie dem gestellt, was mit Noga passiert ist, fahre ich erregt fort, nun ganz überzeugt von der Richtigkeit meiner Argumentation, du hast es vorgezogen, dich im Schlamm deiner Schuldgefühle zu wälzen, statt die Beziehung zu ihr neu aufzubauen, und das trifft auch auf mich zu, das ist es, was du jetzt tun mußt, Udi, glaub mir, ich kenne dich am besten, laß dich nicht auf den Weg der Zerstörung locken, das könnte zu einer Katastrophe führen, Noga hält das nicht aus, ich will mir gar nicht vorstellen, was mit ihr passieren wird, und ich umklammere seine Hand, es macht mir nichts aus, ihn anzuflehen, mich vor ihm zu erniedrigen. Udi, ich weiß genau, daß du dich irrst, probiere meinen Weg aus, die Veränderung muß innerhalb der Familie geschehen, gib uns ein paar Monate Zeit, weggehen kannst du immer noch, und er nimmt meine Hand und schiebt sie von sich weg, seine Kaltblütigkeit verläßt ihn, siehst du, warum ich nicht mehr mit dir leben kann, bricht es aus ihm heraus, ich halte deine Herrschsucht nicht aus, nur du weißt, was zu tun ist, du glaubst, daß du immer recht hast

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