Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
und alle anderen sich irren, jetzt fängt er an zu schreien, ja, vielleicht irre ich mich, aber dann ist es wenigstens mein eigener Fehler, und ich werde dafür bezahlen.
Du wirst dafür bezahlen?, schreie ich, ich wünschte, es wäre so, was ist mit mir, was ist mit Noga, du hast doch gar nicht kapiert, was das bedeutet, eine Familie, alle bezahlen den Preis, alle gehören zusammen, du glaubst, man kann das einfach ignorieren? Und er sagt, hör endlich auf, mich zu erziehen, und hör endlich auf, Noga zu mißbrauchen, um mich zu bestrafen, du kannst mich nicht durch Schuldgefühle an dich ketten wie mit Handschellen, ich bin nicht bereit, mein ganzes Leben dieser hungrigen Göttin zu opfern, die Familie heißt, niemand hat was davon, wenn ich leide, ganz bestimmt habt ihr nichts davon, du und Noga. Ich fühle, daß mein Leben in Gefahr ist, fährt er fort, ich muß es retten, woher, glaubst du, kommt diese Krankheit, nichts passiert einfach so, ich bin vor lauter Wut auf dich krank geworden. Weil ich nicht wagte, wütend auf dich zu werden, wurde ich wütend auf mich, ich habe mich bestraft, denn wie ist es möglich, auf eine Heilige, wie du eine bist, wütend zu werden? Ich traue meinen Ohren nicht, auf mich bist du wütend? Du hast noch die Frechheit, wütend auf mich zu sein? Ich habe mein Leben für dich und Noga hingegeben, seit Jahren decke ich deine Versäumnisse, wenn es wahr wäre, daß man aus unterdrückter Wut krank wird, wäre ich längst unter der Erde. Ich habe dich nie darum gebeten, sagt er, ich habe dich nie gebeten, dich für mich aufzuopfern, und du wirst mich nicht dazu bringen, daß ich den Rest meines Lebens für dich aufopfere und hier in einem Gefängnis aus Schuldgefühlen verfaule, ich muß weg, fort von hier, wenn es so weitergeht, werde ich sterben. Meine Stimme ist heiser, ich schreie, wie kannst du dich von deiner Tochter trennen? Er sagt, schon seit Jahren habe ich nichts mehr mit meiner Tochter zu tun, und das alles wegen dir, du hockst auf ihr wie eine Henne, ständig beobachtest du mich, du hast keine Ahnung, wie sehr du der Beziehung zwischen ihr und mir geschadet hast, und ich brülle, ich habe euch geschadet? Ich habe nur versucht, etwas zu retten.
Ich zweifle nicht an deinen guten Absichten, sagt er seufzend, aber es ist nun mal schlecht gelaufen und ich weiß nicht, wie man es wiedergutmachen könnte, Noga ist schon groß, sie braucht mich nicht mehr jeden Tag, ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken, wie es mit ihr und mir weitergehen soll, ich schaue ihn gespannt an, plötzlich habe ich nichts mehr zu sagen, aber ich habe Angst zu schweigen, damit er nicht aufsteht und weggeht, solange er hier ist, habe ich noch die Hoffnung, ich muß ihn mit Worten festnageln, dann schläft er vielleicht hier ein, und wenn ich mich zu ihm lege und ihn fest in den Arm nehme, wird er mich vielleicht schlaftrunken lieben, wie damals, als wir aus dem Krankenhaus gekommen sind, und morgen früh wird er verstehen, daß er bei uns bleiben muß, weil es der einzige Platz ist, wo er hingehört. Seine Augäpfel bewegen sich unruhig im Gefängnis ihrer Höhlen, seine blassen Lippen sind zusammengepreßt, befriedigt stelle ich fest, daß ich Zweifel in ihm geweckt habe, doch dann richtet er sich auf und beginnt rasch die Wäsche vom Ständer zu nehmen, laß uns das morgen machen, sage ich, die Sachen müssen noch trocknen, und dann sehe ich, daß er nur seine eigene Wäsche abnimmt, Pullover und langärmlige Hemden, er bereitet sich auf den Winter vor, er wird nicht zurückkommen, und ich fühle, wie dickes Blut durch mein Gesicht strömt, schwer wie Lava, ich reiße die noch feuchten Wäschestücke herunter und werfe sie ihm ins Gesicht, jetzt verstehe ich, brülle ich laut, von mir aus soll doch die ganze Nachbarschaft wach werden, du hast mit dem Weggehen noch gewartet, bis ich dir die Wäsche gewaschen habe, du Dreckskerl, du mieser Feigling, den ganzen Schrank habe ich dir gewaschen, und jetzt, wo ich fertig bin, willst du abhauen, und er zischt durch die zusammengepreßten Lippen, hör endlich auf, so kleinlich bist du, das ist es also, was dir etwas ausmacht, der Verschleiß der Waschmaschine? Und ich brülle weiter, es ist meine eigener Verschleiß, der mir was ausmacht, all die Jahre, die ich für dich vergeudet habe, seit meinem zwölften Lebensjahr sind wir zusammen, und jetzt fällt es dir ein, wegzugehen, jetzt, da ich fast vierzig bin? Als ich jünger war und gut ausgesehen habe,
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