Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
betritt, hat man aber erst einmal angefangen, es zu putzen, kann man gar nicht mehr aufhören. Wie glücklich er war, wenn es mir schlechtging, er war in seinem Glück eingekapselt, er hat mich überhaupt nicht gesehen, und ich war armselig und zugleich schuldig, weil ich es ja war, die alles kaputtgemacht hat, weil ich diejenige war, der nichts gereicht hat, und dabei wollte ich doch nur leben, ich wollte doch nur ein Mensch sein. Weißt du, was das ist, ein Mensch? Das ist beides, gut und schlecht, und er hat sich all das Gute genommen und mir das Böse aufgeladen, aber das war nicht wirklich, alles war irgendwie falsch, sowohl seine Rolle als auch meine. Ich senke den Kopf und mache die Augen zu, ich stelle mir vor, man würde mir vor dem Einschlafen ein Märchen erzählen, eine besonders schöne Geschichte, mein Kopf schwankt, ich habe das Gefühl, im Hof unseres alten Hauses zu stehen, ihr gegenüber, ich halte zwei neugeborene Kätzchen in den Händen, sie sind noch blind und verschmiert, und sie schreit mich an, laß die Kätzchen in Frieden, jetzt will ihre Mutter sie nicht mehr, so kleine Kätzchen darf man nicht anfassen, deinetwegen werden sie sterben, und ich lasse sie entsetzt fallen, und dann schreie ich sie an, ich nehme dir diese Geschichten nicht ab, deine kleinen Kinder haben es ja auch geschafft, mit einem zu guten Menschen zu leben, so schlimm ist das nicht, und sie senkt den Blick, ihre Lider zittern, ich habe gedacht, euch würde es ohne mich besser gehen, ich habe gedacht, ich schade euch nur, er war doch so ein wunderbarer Vater.
Aber nachdem sie weggegangen war, hörte er auf, unser Vater zu sein, er versank so tief in seinen Schmerz, daß er uns gar nicht mehr wahrnahm, all seine Hingabe versank in einem Meer von Kummer, als hätte es sie nie gegeben, sie hat recht, das war nicht wirklich, und ich war all die Jahre nur wütend gewesen auf sie, und sogar jetzt fällt es mir schwer, auf diesen Zorn zu verzichten, ich betrachte ihre gekrümmten Finger, als sie sich eine Zigarette anzündet, die Falten über ihrer Oberlippe ziehen sich zusammen, ihre Bewegungen sind noch immer würdevoll, als hätte sie ständig Dutzende von Zuschauern um sich, trotz ihres Alters und trotz ihrer Magenbeschwerden ist sie in ihrem bestickten Kleid noch immer beeindruckend, wie schön sie damals war, sie überfiel uns mit feuchten Küssen wie der Winterwind, verschwand und kam zurück, böse Pläne schmiedend.
Vielleicht war ich ebenfalls zu gut, ich habe mir doch immer Mühe gegeben, zu beweisen, daß ich nicht so bin wie sie, um Udi zu beruhigen, doch nach jenem Morgen war das nicht mehr möglich, ich war verdammt zur unablässigen Sühne für ein Vergehen, das nicht begangen worden war, und als ich jetzt daran denke, an diesen schönsten Morgen meines Lebens, wage ich zum ersten Mal, mich an seinen Einzelheiten zu erfreuen, ich verstehe nicht, warum ich nicht dort geblieben bin, am Fenster, als der erste Regen fiel, warum habe ich mich so beeilt, Udi hinterherzurennen, ein überflüssiges Hinterherrennen, das fast acht Jahre gedauert hat, nur um ihn zu beschwichtigen und zu besänftigen, ich hätte dort bleiben sollen, hätte ihn seine Kriege mit sich selbst ausfechten lassen sollen, mein Hinterherrennen war eine Demonstration von Schuld, Schwäche, Hilflosigkeit, alles das, was es ihm gestern abend erlaubt hat, mich zu verlassen. Weißt du, er hat eine andere, sage ich, weißt du, daß er mich wegen einer anderen verlassen hat? Ich sage es leise, und sie zieht die Schultern hoch, ihre blauen Augen blinzeln in dem dunklen Gesicht, das ändert nichts, wirklich nicht, er ist wegen sich selbst weggegangen, und ich sage, weißt du, ich wollte ihn vor ein paar Jahren verlassen, aber ich bin dageblieben, weißt du, daß mich jemand geliebt hat? Sie streichelt meine Schulter, man wird dich noch lieben, Na’ama, das verspreche ich dir, aber ich kann kaum noch glauben, daß es einen Mann gegeben hat, mit krausen Haaren auf der Schulter, der mich genug liebte, um mich loszulassen. Ich weiß noch, wie er sich über meine Schenkel gebeugt hat und ich ganz kurz seine Schulter berührt habe, und da hob er den Kopf zu mir, er hatte ein blaues Auge und ein graues, und beide waren traurig, was hat er mir damals versprochen, was hat er mir zu sagen versucht, und ich jammere, statt bei ihm geblieben zu sein, statt seine Liebe zu genießen, wollte ich Udi besänftigen, Noga festhalten, alle zusammenkleben, aber danach stimmte
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