Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
bedrückend und bedeckt Nogas weißes, schlafendes Gesicht, die Haare, die schlaff auf dem Kissen liegen, und mit zerbrochener Stimme flüstere ich ihr zu, bevor es mir leid tun kann, er hat uns verlassen, Noga, er kommt nur dann, wenn er es will, er ruft nur dann an, wenn es ihm paßt, es wird Zeit, daß wir aufhören zu warten.
Doch früh am Morgen, als ein himmelblaues, künstliches Licht das Zimmer noch einhüllt, meine ich heftiges Klopfen an der Tür zu hören, ich schüttle den unruhigen Schlaf ab, siehe, ich will sie aus dem Lande des Nordens bringen und will sie sammeln von den Enden der Erde, auch Blinde und Lahme, Schwangere und junge Mütter, daß sie als große Gemeinde wieder hierherkommen sollen. Sie werden weinend kommen, aber ich will sie trösten und leiten. Ich will sie zu Wasserbächen führen auf ebenem Wege, daß sie nicht zu Fall kommen; denn ich bin Israels Vater und Ephraim ist mein erstgeborener Sohn. Die tröstlichen Verse, die ich die ganze Nacht gelesen habe, treten vor und jubeln wie Tote am Tag ihrer Wiedergeburt, laß dein Schreien und Weinen und die Tränen deiner Augen, mein Rücken ist steif, als ich versuche, vom Teppich aufzustehen, ich eile gebückt, mein Herz klopft wie verrückt, er ist zu mir zurückgekommen, mein Udi, er kann uns nicht verlassen, wir sind ein Volk, wenn auch mit zwei Königreichen, ein neuer Bund wird zwischen uns geschlossen, denn ich werde ihm verzeihen und seine Sünden nicht mehr erwähnen. Warum hat er geklopft und nicht aufgeschlossen, in einer Nacht ist er vom Bewohner zum Besucher geworden, wo ist sein Schlüssel, und ich nähere mich der Tür, voller Glück, seit meiner Wöchnerinzeit gab es nichts, was ich mir so sehr gewünscht habe, nur daß er am Morgen bei Sonnenaufgang käme, um Noga aus ihrer Krankheit zu retten und mich aus meinem Kummer, daß er zurückkäme und wir wieder eine Familie wären, und absichtlich ziehe ich die Zeit in die Länge, in der er an die Tür klopft, nur leise, aus Reue und Trauer. Tu mir auf, liebe Freundin, meine Schwester, meine Taube, meine Reine! Denn mein Haupt ist voll Tau und meine Locken voll Nachttropfen, bis das Klopfen aufhört und ich schnell den Schlüssel umdrehe, damit er es sich ja nicht anders überlegt und geht, und meine müden, brennenden Augen ziehen sich zusammen beim Anblick des alten Rückens, der langsam die Treppe hinuntergeht, beim Anblick des Gesichts, das sich zu mir umdreht, ein dunkles, faltiges Gesicht, halb verdeckt von einer schwarzen Sonnenbrille, und ich öffne den Mund zu einem enttäuschten Weinen, mir scheint, als öffnete er sich immer weiter, bis meine Lippen reißen wie bei einer Geburt, so groß ist die Enttäuschung, die mich zerreißt, sein Nichtkommen erschüttert mich noch mehr als seine Abkehr von uns, mein ganzer Körper wird gespalten von einem Schrei, Mutter, was machst du hier?
Ich bin gekommen, um dir zu helfen, sagt sie, die Stufen bringen sie wieder zu mir, und ich packe ihre Arme, ich umklammere ihre Knie in kindlichem Entsetzen, Mama, geh nicht weg, bleib bei uns, Mama, warum ziehst du dich an, warum ziehst du Schuhe mit hohen Absätzen an, warum machst du dich schön, ihre Knie bewegen sich von Zimmer zu Zimmer, und ich bin dazwischen, umfasse sie, versuche, sie zum Stolpern zu bringen, Mama, bleib da, Papa ist so traurig ohne dich, auch wir sind so traurig, bleib bei uns, und da ist ihre Hand auf meinen Haaren, ich muß, ich habe keine Wahl, sagt sie, alles wird gut, allen wird es besser gehen, aber niemandem ging es besser, vor allem ihr nicht, ob auch in ihren Ohren damals die teuflische Lüge widerhallte, eine Stimme ruft, du sollst aufstehen und gehen, und jetzt ist ihre Stimme heiser vom Rauchen, ihre Hände fahren mir durch die Haare, du mußt anfangen, sie dir zu färben, sagt sie, schau mal, wie viele weiße Haare du plötzlich hast.
Das ist nicht plötzlich, sage ich, du hast mich einfach schon lange nicht mehr gestreichelt, und ich halte mich an ihr fest und rapple mich mühsam hoch, ein krummer Schnabel öffnet sich mit einem hungrigen Lächeln, vor meinen Augen breiten sich schwarze Flügel aus, und ich schlage um mich, um diese Flügel zu vertreiben, ich bin noch nicht ganz tot, schreie ich, laßt mich in Ruhe, ich darf nicht sterben, noch darf ich nicht sterben, und meine Mutter umarmt mich, genug, hör auf zu weinen, ich hatte überhaupt nicht gemerkt, daß ich weine, und dann dringt ein Schrei aus der Wohnung, ein Schrei, der mit seiner
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