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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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salzig, und zuletzt waren mir seine Finger lieber, denn ich brachte nichts mehr hinunter, ich war so satt, also hielt ich seine Hand, als wäre sie ein Sandwich, und kaute daran herum, und er unterhielt sich weiter mit Schaul, der jedoch nicht mehr so konzentriert war, die meiste Zeit beobachtete er mich und die Bewegungen meines Mundes, und schließlich stand er auf, stellte sich neben uns, und ich hörte seinen schweren Atem, und er berührte mein Gesicht, meine Nase und meine Augen, und begann, seine Finger ebenfalls in meinen Mund zu schieben, und Arie zog seine Hand heraus, um ihm Platz zu machen, und steckte sich einstweilen eine neue Zigarette an, und Schaul durchforschte meinen Mund wie ein Zahnarzt, seine Finger waren weich, und ich hatte das Gefühl, als könnten sie jeden Moment in meinem Mund schmelzen, und das war mir ein bißchen eklig, er merkte es offensichtlich und ging ein wenig enttäuscht zu seinem Platz zurück, und Arie lachte und sagte zu ihm oder zu uns beiden, es ist in Ordnung, es ist in Ordnung.
    Und so war mein Mund auf einmal leer geworden, dabei hatte ich Lust, etwas mit ihm zu machen, deshalb legte ich meinen Kopf auf Aries Schulter und küßte seinen Hals, sein Ohr und einen Teil seiner Wange, wo der Geruch seines After-shaves besonders scharf war, ich schaute ihm ins Ohr, es war das erste Mal, daß mir sein Ohr auffiel, das eigentlich ganz normal und durchschnittlich war, mir aber plötzlich ganz wunderbar erschien, klein im Vergleich zu seinem Gesicht, und etwas heller, fast rosafarben, und einen Moment lang meinte ich, tief innen ein kleines Hörgerät zu sehen, rosa und rund wie eine Kirsche, und ich schob einen Finger hinein, um es zu berühren, fand aber nichts, und die ganze Zeit sprach Arie mit seiner heiseren Stimme weiter, ohne schwer zu atmen und ohne Erregung, aber ich spürte in seinem Körper eine Art Anspannung, die vorher nicht dagewesen war.
    So bist du also wirklich, dachte ich, immer hatte ich ihn erregt sehen wollen, immer hatte er Kälte und Fremdheit ausgestrahlt, wie eine Maschine, und jetzt war da etwas anderes, seine Hände betasteten mich weniger gelangweilt, waren gespannter und geschmeidiger. Plötzlich fing es an zu regnen, ein richtiger Guß, gefolgt von Donnern und Blitzen, und die kleine Wohnung sah auf einmal aus wie die Arche Noah, dämmrig und baufällig, und sie schwiegen, ließen den Donner sprechen, und Schaul blickte mich an, in seinen Augen stand eine Frage, vielleicht wollte er wissen, was eine junge Frau wie ich im Ohr eines pathetischen alten Mannes zu suchen hatte oder so ähnlich, und einen Moment lang hatte auch ich Zweifel, doch Arie, der meinen Rückzug offenbar spürte, begann, mir die Strumpfhose abzustreifen, dann stand er auf, stellte auch mich auf die Beine, die Strumpfhose spannte sich um meine Knie wie eine Fessel, und er sagte, komm ins Bett, im Bett wird es dir bequemer sein, und ich sagte, aber was ist mit Schaul, und Arie sagte, das stört Schaul nicht, stimmt’s, Schaul? Er sprach laut und nachdrücklich, wie eine Kindergärtnerin, und Schaul sagte mit seiner dünnen, gehorsamen Stimme, nein, es ist in Ordnung, ich werde nur dasitzen und zuschauen, als würde er uns einen Gefallen tun, und Arie machte im Gehen seine Hose auf, und für einen Moment sahen wir aus wie zwei kleine Kinder, die zum Klo rennen, mit nackten Ärschen und heruntergelassenen Hosen, er legte sich auf den Rücken und wartete, bis ich ihm die Stiefel und Socken ausgezogen hatte und mich auf ihn setzte, es war deutlich, daß er das wollte, und ich bemühte mich, mit aufrechtem Rücken zu sitzen und mich anmutig zu bewegen, wie eine Schauspielerin, denn ich spürte die ganze Zeit Schauls Blicke auf mir, es war das erste Mal, daß ich Publikum hatte, und ich wußte, daß dies eine Verpflichtung war.
    Von Sekunde zu Sekunde wurde ich ehrgeiziger, ich wollte mein Publikum mit meiner Darbietung überraschen, deshalb spannte ich meinen Rücken zu einer Brücke, bis meine Hände den Bettrand berührten, und eigentlich hätte ich beifälliges Klatschen erwartet, statt dessen hörte ich lautes Atmen und das Geräusch fallender Kleidungsstücke und bemerkte, daß die Gestalt auf dem Sessel immer weißer wurde, seine helle Haut wurde entblößt, als die Kleidungsstücke fielen, er leuchtete fast, doch plötzlich sah ich nichts mehr, denn Arie richtete sich auf und bedeckte mich vollständig, und jetzt war er es, der mit einer besonderen Darbietung Eindruck zu machen

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