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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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die wirkliche Avischag nun sagen, aber sie wäre gar nicht hier gelandet, wer nachts so gut schlief wie sie, gabelte keinen Mann wie diesen auf. Der Raum, den wir betraten, war nicht wirklich ein Loch, aber auch nicht direkt eine konventionelle Wohnung, es gab nur ein großes Zimmer mit einem Doppelbett in der Ecke und einem runden Kupfertisch und einen kleinen Kühlschrank, so was wie eine Studentenbude, aber der Hausherr sah eher aus wie ein Pensionär. Vermutlich merkte man mir meine Verwunderung an, denn Arie sagte plötzlich, das ist Schauls Liebesnest, und ich meinte zu sehen, wie er einen Blick auf das Bett warf, und Schaul lachte verlegen und wehrte ab, schüchtern wie eine Jungfrau, nein, wieso denn, hier ruhe ich mich aus, ganz allein, zwischen einem Prozeß und dem nächsten, und ich sah ihn mißtrauisch an, und dann dachte ich, vielleicht ist er Rechtsanwalt oder sogar Richter, was mir aber unwahrscheinlich vorkam, weil ihn so gar keine Pracht umgab, aber seine verschämte und bescheidene Anwesenheit beruhigte mich ziemlich. Seltsam, daß jeder dieser beiden Menschen hier als Mann bezeichnet wird, dachte ich, sie sehen aus, als gehörten sie zu verschiedenen Arten, wieso gibt es nur zwei Möglichkeiten für uns, Mann oder Frau, wie Tee oder Kaffee, wo doch die Wirklichkeit viel komplizierter ist, und ich freute mich, daß er nicht wie Arie war, und lächelte ihm dankbar zu. Er fragte, was trinken wir, und ich schwankte zwischen Tee und Kaffee, aber er ging ins Detail und nannte die Namen von Bier-, Whisky- und Brandysorten und empfahl einen hervorragenden Kognak, den er aus Ungarn mitgebracht hatte, er war erst vor einer Woche zurückgekommen und hatte ein paar Flaschen mitgebracht, und er war auch in Paris gewesen und hatte Käse gekauft, genau so sagte er es, als wäre ganz Europa eine Art riesiger Supermarkt, wo man mit seinem Wagen herumläuft und ihn vollädt, und schon lagen die Schätze Europas auf dem orientalischen Tisch, rund, niedrig und schmutzig, daneben die gepriesenen Flaschen, und wir setzten uns drum herum wie um ein Lagerfeuer, und Arie goß erst mir ein, dann sich, zerschnitt eine Wurst, schob mir mit einer vertrauten Bewegung ein Stück in den Mund, und die Schärfe des Whiskys mischte sich mit der Schärfe der Wurst und gab mir ein Gefühl von Leben, richtigem Leben. Und dann fingen sie an, über Paris zu sprechen, und ich hörte nicht wirklich zu, an meinem Ohr flogen Namen von Restaurants vorbei, von Weinsorten, von Frauen, Straßen, ich war nur einmal drei Tage in Paris gewesen und hatte zu dem Gespräch nichts beizutragen, außer daß ich dort mit einer schrecklichen Migräne in einem Hotelbett gelegen hatte, vor allem erinnerte ich mich an das Blumenmuster der Tapeten und der rosafarbenen Tagesdecke, aber es war schön, ihrem ruhig dahinplätschernden Gespräch zuzuhören, sie waren offenbar alte Freunde, und ich fühlte mich wohl zwischen ihnen, vor allem genoß ich Schauls Anwesenheit, den ich als einen Schutz gegen Arie empfand, und mir kam es vor, als würde auch Arie mich jetzt, mit den Augen seines Freundes, anders sehen.
    Von Zeit zu Zeit zündete Arie eine Zigarette für mich an oder schob mir ein Stück Wurst in den Mund oder goß mir Kognak nach, und ich aß und trank, ohne nachzudenken, genoß es, ein Baby zu sein, für das man die Entscheidungen trifft. Als ich aufstand, um zu pinkeln, war mir angenehm schwindlig, und auf der Kloschüssel fielen mir einen Moment lang die Augen zu, aber als ich sie öffnete, freute ich mich, dort zu sein, in dieser überraschend geräumigen Toilette, als wäre sie für Behinderte gemacht, und als ich wieder hinüberkam, sagte Schaul, wir haben uns Sorgen um dich gemacht, geht es dir gut, Avischag? Und ich dachte, was für einfache Lösungen es für komplizierte Probleme gibt, man kann sich einen neuen Namen zulegen und vorübergehend sogar ein anderer Mensch sein. Als ich an Aries Sessel vorbeiging, streichelte er mein Bein unter dem Kleid und tastete sich hoch, wie um sich zu versichern, daß mein Slip nicht aus seiner Tasche verschwunden und an seinen natürlichen Platz zurückgekehrt war, komm auf meinen Schoß, sagte er, und ich setzte mich auf seine Knie, und er fuhr fort, mich mit einer Hand unter dem Kleid zu streicheln und mit der anderen zu füttern, er schob mir seine Finger in den Mund, bis ich anfing, daran zu kauen, ich konnte kaum zwischen den Wurststücken und seinen Fingern unterscheiden, denn beide waren scharf und

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