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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Mensch immer tierischer oder kindlicher, was die entscheidende Rolle spielt, sind die Bedürfnisse.
    Ich empfand eine plötzliche Enttäuschung, eine totale, endgültige Enttäuschung, als hätte ich Gift geschluckt und könnte es nicht mehr aus dem Körper bekommen, obwohl ich es schon bereute, doch das würde nichts mehr helfen. Ich machte mir mein Leben kaputt, und er kam um vor Langeweile, und da legte er mir seine schöne Hand auf den Oberschenkel, versuchte mich zu trösten und sagte, weißt du, als ich dich dort mit Schaul gesehen habe, war es das erste Mal, daß ich dich richtig wahrgenommen habe, das erste Mal, daß ich mich zu dir hingezogen fühlte. Sein Staunen über dich hat auf mich abgefärbt.
    Aber das enttäuschte mich nur noch mehr, und ich sagte, also was wird sein, und er sagte, nichts, warum sollte etwas sein, und ich sagte, aber ich liebe dich.
    Und wieder fragte er, warum, was liebst du an mir?
    Und wie immer fing ich an, mich zu winden, zurückgestoßen von seinem Bedürfnis, jedesmal wieder zu hören, wie großartig er in meinen Augen war, noch dazu, wo es bei weitem nicht der Wahrheit entsprach, ich hielt ihn für egozentrisch, rücksichtslos, kindisch, hochmütig und herzlos, aber das durfte ich mit keinem Wort erwähnen. Sag schon, was liebst du an mir, fragte er erneut, das interessiert mich wirklich.
    Endlich etwas, was dich interessiert, fauchte ich, ich liebe die Farbe deiner Haut und deine Stimme und deinen Gang und die Art, wie du dir eine Zigarette ansteckst, und ich wußte, daß diese magere und zufällige Aufzählung ihn enttäuschte, aber er lächelte nur verächtlich und sagte, wenn so kleine Dinge eine so große Liebe in dir wecken, was wirst du dann machen, wenn du mal einen wirklich beeindruckenden Mann triffst? Und ich sagte, es wäre schön, wenn es eine derartige Beziehung zwischen der Größe einer Liebe und den Eigenschaften des Geliebten gäbe, aber so funktioniert das nicht, und ich dachte an Joni und an seine hervorragenden Eigenschaften, und Arie sah besorgt aus, er wollte das nicht recht schlucken, denn wenn meine Liebe nichts mit seiner Größe zu tun hatte, schmeichelte sie ihm nicht und setzte ihn herab, und es fiel ihm offenbar schwer, auf das Recht zu verzichten, aus den richtigen Gründen geliebt zu werden, und er sagte, ich glaube, du verstehst mich einfach noch nicht, du bist so erpicht auf das, was du von mir bekommst oder nicht bekommst, daß du mich gar nicht siehst, wie ich bin, ohne dich, und ich sagte, stimmt.
    Ich betrachtete die schwarzen Wolken, die langsam und tief hängend näher kamen, als gäbe es über unseren Köpfen eine himmlische Autobahn, und ich hatte das Gefühl, als würden sich die Grenzen verwischen, als würden wir uns erheben oder sie sich auf uns senken, und draußen wurde es dunkel, obwohl es noch früh am Abend war, und wieder stürzte ein solcher Regenguß herab, daß das Auto anfing zu beben. Ich lehnte mich an die Tür, blickte hinaus und dachte, daß es jetzt das richtige für mich wäre, die Tür aufzumachen und hinauszuspringen, so, wie ich war, ohne Mantel, ohne Slip, die Sache einfach beenden, denn einen anderen Weg, sie zu beenden, gab es nicht. Ich legte die Hand über die Augen und betrachtete ihn durch die Finger, so wie man eine erschreckende Szene im Kino betrachtet, die man trotzdem nicht ganz verpassen möchte, und er kam mir wie eine riesige graue Raupe vor mit seinen hervortretenden Augen und den dicken Lippen und den rosafarbenen Ohren, sein ganzes dunkles Fleisch, das aussah, als wäre es ein bißchen zu lange gekocht, und plötzlich lächelte er in sich hinein, ganz unbewußt, ein fettes Lächeln, und ich dachte, was lachst du, hast du nicht gehört, wie sich das Rad dreht, und dieser Spruch gefiel mir so gut, daß ich mir eine Melodie dazu ausdachte, und ich summte sie leise vor mich hin und fühlte mich ein bißchen besser. Sterben kann man immer, sagte ich mir, los, gib dem Leben noch eine Chance. Du siehst ihn jetzt, wie er wirklich ist, gut, daß du mit ihm gefahren bist, denn nur so hast du ein klares Bild bekommen, er ist durstig nach Beifall und nach Bestätigung, so wie du durstig nach Liebe bist, aber so ist das nun mal im Leben, wer durstig ist, bleibt durstig, er bekommt nichts. Deshalb ist es besser, von vornherein zu verzichten, überlasse es einer anderen, ihn zu langweilen, warum ausgerechnet du, du hast Besseres zu tun, doch an dieser Stelle stockte ich, denn ich konnte mir nichts Besseres

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