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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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zurück, von dem aus man die Hügel sehen kann, dort sitzt er und raucht stolz eine Zigarette, gefällt es dir hier, fragt er, das habe ich gebaut, ich nicke schweigend, mir fällt wieder ein, daß sie ihn nicht mehr will, er ist nicht fähig, etwas zu fühlen, er will sich nur amüsieren. Nun, und was tun wir hier, frage ich, ein Blutgerinnsel aus Haß bahnt sich einen Weg durch meinen Körper, und er sagt, glaubst du nicht, daß wir in unserem Alter das Recht auf ein bißchen Nähe haben, oder macht es dir vielleicht mehr Spaß, vor dem Schwesternzimmer herumzuknutschen? Ich weiß nicht, ob ich überhaupt herumknutschen möchte, sage ich, ich kann dieses Wort nicht leiden. Laß doch die Semantik, sagt er, laß mich doch deinen Körper lieben, und er steht auf und zieht mich hinter sich her in das riesige Schlafzimmer, Elterneinheit nennt er es, was für ein bedrohliches Wort, fast militärisch. Hast du es schon mal in einer Musterwohnung gemacht, fragt er, und ich sage, noch nie, und ich werde es wohl auch nicht tun. Er kichert, spiel dich nicht so auf, ich kenne dich schon, du weißt gar nicht, wozu du fähig bist, du müßtest nur einen Monat mit mir verbringen, und du würdest dich nicht wiedererkennen, und ich stehe verloren vor dem prächtigen Bett, eine dünne Staubschicht bedeckt es wie samtenes Bettzeug, verleiht dem Zimmer eine weiche Stimmung, sogar seine schwarzen Haare sind schon von hellen Staubkörnern überzogen, sie machen ihn um Jahre älter.
    Micha, sage ich ruhig und wische den Staub von seinen Haaren, du hast heute einen Sohn bekommen, kapierst du das überhaupt? Er grinst, habe ich eine Wahl? Natürlich kapiere ich das, und du bist mein Geschenk, es steht mir doch ein Geschenk zu, nicht wahr, und ich sage, du bist selbst ein Baby, dir steht gar nichts zu, jetzt ist es an der Zeit, daß du etwas gibst, du hast schon genug bekommen. Aber ich habe während der ganzen Geburt nur an das hier gedacht, murrt er, ich habe daran gedacht, wie ich dich hierherbringe und du mir ein Geschenk machst, du weißt doch, daß ich nur deinetwegen dort war, und ich seufze, sie hat recht gehabt, sie hat recht gehabt, nur ich habe mich getäuscht. Niedergeschlagen setze ich mich auf den Bettrand, ich sehe, wie seine Schultern sich dehnen und breiter werden, sein Gesicht wird größer, je näher er mir kommt, sein Lächeln ist riesig, entblößt starke Zähne, ich habe das Gefühl, gleich dringt ein Bellen aus seinem Mund, das schreckliche Bellen des Hundes Elijahu. Ich schiebe ihn weg, laß mich, und er ist gekränkt, was hast du denn, ich habe geglaubt, wir feiern gemeinsam die Geburt des Kindes, mit wem soll ich denn sonst feiern, mit meiner Frau etwa, und mir fällt das braune Bein wieder ein, in den Unterleib hat sie es mir gestoßen. Warum weinst du, fragt er erstaunt, ich verspreche dir, alles wird gut, ich werde das Kind besuchen, ich werde Unterhalt zahlen, ich bin sogar bereit, ab und zu mit ihr zu schlafen, wenn du darauf bestehst, was willst du sonst noch von mir? Ich schaue hinaus, die kaum wahrnehmbare Bewegung eines welken Zweigs erfüllt mich mit Trauer, es ist überhaupt kein Zweig, es ist eine spitze, mit Rost überzogene Eisenstange, direkt lebensgefährlich, ich weiß nicht, was ich will, aber das ist etwas ganz anderes, etwas Schweres, Dumpfes senkt sich zwischen uns, das bedauernswerte Schicksal des Neugeborenen, das keiner will, das Schicksal der zu jungen Mutter, das Schicksal des Beines, das nie zum Rand des Bildes vordringt, und ich sage zu ihm, alles ist schief, Micha, findest du nicht? Ich hätte nicht mit dir hierherkommen dürfen, ich hätte gestern nicht mit dir schlafen dürfen, nie im Leben bin ich so abgestürzt.
    Er weicht vor mir zurück, ein unangenehmer Zug zeigt sich in seinem Gesicht, hör auf mit dieser Scheinheiligkeit, sagt er, wer bereit ist, den Preis zu bezahlen, der darf alles, ich bezahle den Preis, wenn meine Kinder erfahren, daß sie einen Bruder von einer anderen Mutter bekommen haben, wenn meine Frau es herausfindet, das ist nicht einfach, aber ich beklage mich nicht, ich ziehe es vor, so zu sein, wie ich bin, Hauptsache, ich langweile mich nicht, und als ich dich gestern mit diesem durstigen Lächeln gesehen habe, habe ich gedacht, du wärst wie ich, ich habe nicht gedacht, daß du so schnell abfallen würdest. Micha, sage ich ruhig, ich habe keine Ahnung, ob ich so bin wie du, ich habe keine Ahnung, ob ich so bin wie ich, ich habe so viele Jahre mit einem einzigen

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