Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Mann zusammengelebt, ich war eingeschlossen in unserem Leben, alles ist immer mehr zusammengeschrumpft, ich konnte mich nur in Beziehung zu ihm sehen, nicht als eigenständige Person, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele Fragen ich mir noch nicht einmal selbst gestellt habe. Er schaut mich zweifelnd an, weißt du, sagt er, gestern, als du mir erzählt hast, daß dein Mann dich verlassen hat, dachte ich, was für ein Idiot, aber jetzt verstehe ich ihn. Ich fühle, wie meine Wangen brennen, als stünden sie in Flammen, du verstehst ihn, frage ich, was soll das heißen?
Hör zu, bevor du beleidigt bist, fährt er mich an, und ich hoffe auf seine Worte, als hinge mein ganzes Leben davon ab, aber er zögert, macht den Mund auf und schließt ihn gleich wieder, sperrt seine Wörter hinter den Zähnen ein, schau doch, wie du versuchst zu herrschen, bringt er mit Mühe heraus und deutet um sich, als läge da der Beweis, in dieser Wohnung, in der niemand lebt, du hast irgendein scheinheiliges Modell im Kopf und versuchst, uns alle darin einzuordnen, sogar mich und Ja’el, Menschen, die du kaum kennst, du hältst dich selbst für beispielhaft und glaubst, daß dir zum Lohn dafür ein beispielhaftes Leben zusteht, aber so etwas gibt es nicht, so etwas wird es nie geben, und trotzdem steht es uns zu zu leben, sogar das Leben zu genießen, mir und dir, und sogar dein Mann darf leben, ohne sich die ganze Zeit schuldig zu fühlen, weil er kein beispielhafter Ehemann oder kein beispielhafter Vater ist, oder Gott weiß, was du von ihm gewollt hast, denn auch du bist nicht vollkommen, und das kann man sogar als Vorteil sehen, du darfst neidisch sein, hassen, betrügen, stehlen, du darfst sogar manchmal deinen scheinheiligen Beruf schwänzen, alles darfst du, alles, solange du nur mit dir selbst aufrichtig bist und dich nicht als Heilige hinstellst, verstehst du, was ich sage? Er schaut mich an und grinst, na, wie mache ich mich als Sozialarbeiter? Und jetzt wollen wir mal sehen, was du mit so einer Wohnung anfängst.
Ich betrachte den Staub, der zwischen uns schwebt, bald wird er uns bedecken wie antike Möbelstücke in einem verzauberten Schloß, Möbelstücke, die einmal Menschen waren, beschädigte Menschen, und eine Welle von Stolz auf Udi überschwemmt mich, daß es mir schwerfällt zu atmen, mir kommt es vor, als habe sich eine Faust tief in meinem Inneren plötzlich entspannt und verkünde die Befreiung von Pflichten, ganze Hefte voller eng beschriebener Seiten werden vor meinen Augen in einem gesegneten, erschütternden Moment ausradiert, ich stehe schnell auf, als erwarte er mich zu Hause, damit ich ihm etwas ganz Wichtiges erzähle, etwas, was ihn sehr glücklich machen wird, wo habe ich meine Tasche gelassen, aber als ich sie finde, bleibe ich stehen, mein Haus ist leer, meine guten Neuigkeiten werden warten müssen, und inzwischen stehe ich da mit den schlechten, mit einem fremden Mann, der sich unbehaglich auf dem Bett bewegt, plattgedrückt und hilflos wie ein Krüppel, den jemand umgestoßen hat, genau wie Udi an jenem Morgen. Gib mir die Hand, bittet er, und ich strecke die Hand aus, um ihm beim Aufstehen zu helfen, aber er zieht mich mit Gewalt zu sich aufs Bett, möchtest du den perfekten Fick? Er sagt es heiter, als würde er diese Worte zum ersten Mal aussprechen, und ich sage, lieber nicht, er grinst, ich sehe, daß er gekränkt ist, laß dich entschädigen, und ich sage, du wirst mich nie entschädigen können, und er schnauft mir heiße Luft ins Ohr, das vor Vergnügen erzittert, ich entschädige dich dadurch, daß ich dich sündigen lasse, du mußt sündigen, damit du dir selbst verzeihen kannst.
Ich habe gestern schon gesündigt, murre ich, und er sagt, aber gestern hast du es noch nicht gewußt, und ich fange schon an zu kichern, sein Charme besänftigt die harten Worte, die hier noch nachhallen, und machen die Wohnung geschichtslos, wie Adam und Eva sind wir die ersten, die hier lachen, das Lachen verwandelt sich in Seufzer der Lust, schon zieht er mir den langen Rock aus und bahnt sich seinen Weg, kurz und gezielt diesmal, als habe er nur einen Punkt zu klären, und ich halte seine Schultern, er ist ein Gast in meinem Leben, das verstehe ich auf einmal, er ist zu einem kurzen Besuch gekommen, man darf ihn nicht aufhalten, warum sollte ich ihn aufhalten? Was ist passiert, fragt er und dreht mich mit einer kräftigen Bewegung um, ich betrachte sein Gesicht, das sich vor meinen Augen vernebelt, wir
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