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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Torhüterin, den schwerfälligen Körper umhüllt von einem feierlichen schwarzen Kleid, die Augen von der Brille vergrößert, Na’ama, sagt sie schnell, als wäre ihr mein Name widerwärtig geworden, Na’ama, man muß das neue Mädchen dazu bringen zu unterschreiben, und ich antworte mit scharfer Stimme, wen, Ja’el? Warum soll sie unterschreiben, sie hat doch beschlossen, das Kind selbst aufzuziehen!
    Wirklich? Chawa verzieht in gespielter Überraschung die Lippen, woher weißt du das? Ich stottere, sie hat es mir gleich nach der Geburt gesagt, ich war doch mit ihr dort. Ihre Stimme springt mich an, prallt gegen meinen Körper. Sie hat es dir also gesagt? Oder vielleicht hast du es ihr gesagt?
    Wir haben darüber gesprochen, weiche ich aus, es war ziemlich klar in ihrem Fall, meinst du nicht, und sie unterbricht mich, ihre herabhängenden Wangen zittern wie die Lefzen einer hungrigen Bulldogge, es ist wirklich egal, was ich meine, Na’ama, aber es ist auch egal, was du meinst, unsere Aufgabe ist es, den Mädchen verstehen zu helfen, was sie selbst meinen, hast du das vergessen?
    Ich habe es nicht vergessen, ich wollte ihr nur ein bißchen mehr helfen, stottere ich und rücke meine Sonnenbrille zurecht, gleich werden meine betrügerischen Tränen sich gegen mich erheben wie durchsichtige Verräter und boshaft alles offenlegen, was ich verbergen möchte. Ein bißchen mehr helfen ist weniger helfen, sagt sie entschieden, in eine Identifikation einzutreten, ohne sie wieder zu verlassen, ist zerstörerisch, hast du unsere Aufgabe vergessen? Hinein und heraus, sonst kann man nicht behandeln, deine Identifikation mit ihr war zerstörerisch, denn sie geschah aus falschen Motiven, du hast versucht, über sie deine eigenen Probleme zu lösen, du hast nicht versucht, ihr zu helfen, sondern dir selbst.
    Bestürzt betrachte ich ihr erstaunliches Dekolleté, das sich direkt vor meinen Augen ausbreitet, weiß und mit rötlichen, kindlichen Sommersprossen übersät, eine Haut, die im verborgenen alt geworden ist, ohne einen Sonnenstrahl gesehen zu haben, ganz anders als das Muster ihrer Sommersprossen auf den Armen und im Gesicht, und mit brüchiger Stimme sage ich, auch wenn du recht hast, darf sie trotzdem nicht auf ihr Baby verzichten, ich muß zu ihr gehen und versuchen, den Schaden wiedergutzumachen. Aber Chawa streckt die Hand aus und versperrt mir den Weg, es tut mir leid, Na’ama, sie hat ausdrücklich darum gebeten, daß du nicht zu ihr kommst, sie will dich nicht mehr sprechen, sie hat verlangt, daß ich komme. Sie wirft zufrieden einen Blick auf ihre blitzende goldene Uhr, nun, ich bin spät dran, warte hier auf mich, ich habe noch ein paar Dinge, die ich dir sagen muß, und schon ist sie weg und läßt mich mit brennendem Gesicht zurück, und ich schaue ihr feindselig nach, dafür hast du dich so rausgeputzt? Wie eine Gans watschelt sie auf ihren hohen Absätzen, hat ihr Fett in ein Abendkleid mit einem lächerlichen Ausschnitt gepreßt, nur um zu sehen, wie Ja’el den Fehler ihres Lebens begeht, ein junges, kapriziöses Mädchen, das sich das nie verzeihen wird.
    Ich höre, wie Chawa den Motor anläßt, vielleicht soll ich ihr nachfahren, ich habe schon nichts mehr zu verlieren, ich lasse nicht zu, daß Ja’el die Formulare unterschreibt, aber mir ist, als streckte Chawa noch immer die Hand aus und versperrte mir den Weg, unerbittlich wie eine blinkende Schranke, sie wirft mich auf die Treppe. Ich bin es, denke ich, ich habe den Fehler meines Lebens begangen, wie konnte ich solche Sachen zu Ja’el sagen, ihr meine Meinung aufdrängen, so habe ich sie doch nur gegen mich aufgebracht, auch durch das, was ich getan habe, vor allem durch das, wovon sie noch gar nicht weiß, daß ich es getan habe. Alle meine guten Absichten haben sich zum Schlechten gewendet, und vielleicht habe ich es noch nicht einmal gut gemeint, vielleicht wollte ich sie nur aufhetzen, damit auch sie nichts hat, so wie ich nichts habe, ich wollte zugleich ihr Leben leben und es leer machen, ich habe ihr den Mann genommen und auch noch die Hand nach ihrem Kind ausgestreckt, nur meinetwegen gibt sie den Kleinen weg, heute unterschreibt sie die Formulare, und morgen kehrt sie zu ihrem früheren Leben zurück, wie hat sie es doch formuliert, ein bißchen Diät, und das war’s. Ich hätte Noga auch weggeben können, so schwer hatte ich es mit ihr in den ersten Monaten, Tag um Tag, Nacht um Nacht hat sie geschrien, ein Stück nach dem anderen

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