Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
und tötete ihn, und der alte Prophet begrub ihn in Bethel und bat seine Söhne, ihn nach seinem Tod neben dem Mann Gottes zu begraben, legt mein Gebein neben sein Gebein.
Zornig lasse ich das Buch sinken, zornig wegen des bitteren Schicksals, das der Mann Gottes ertragen mußte, weil er der Versuchung nicht standgehalten hatte, woher sollte er wissen, daß er belogen wurde, wie konnte er zwischen den Worten Gottes und den Worten der Lüge unterscheiden, vor meinen Augen schärft sich das Bild Udis, der zwischen den Bäumen kniete und prophezeite, er sagte die Opferung unserer kleinen Familie voraus, er wußte nicht, daß die lügnerische Prophetin ihn bereits in der Tür unseres Hauses erwartete, ihre Haare waren giftige Schlangen, ihre ermutigenden und beruhigenden Worte Schmeicheleien, du klammerst dich an ihn, sagte sie zu mir, du zerreibst ihn wie einen Brocken Erde, du mußt loslassen, aber in dem Moment, als ich losließ, ergriff sie ihn und zog ihn hinter sich her und zerrieb uns alle zu grauem Staub. Ich taste über das Laken, für einen Moment kommt es mir vor, als läge er neben mir, mit seinen langen Beinen, schlafversunken, ich darf ihn nicht wecken, doch da richten sich seine Knochen auf und tanzen vor meinen Augen einen Abschiedstanz, und ich unterdrücke einen Schrei, er wird sterben, dort in dem fernen Tibet, sein Gebein wird nicht im Grab seiner Väter liegen, nie werden wir ihn wiedersehen, eine lügnerische Prophetin hat ihn von uns weggelockt, ich muß mein Leben ändern, hat er gesagt, ich habe eine Warnung bekommen, aber wie hätte er wissen können, daß er in Versuchung geführt wurde, ich springe aus dem Bett und gehe hinaus auf den Balkon, schaue hinunter auf die stille Straße, die Badeanzüge tropfen auf mich herab und gaukeln mir den Geruch nach nasser Erde vor, wie nach dem ersten Regen.
Von hier aus habe ich ihn weggehen sehen, den Rucksack auf dem Rücken, mit heiserer Kehle habe ich versucht, ihn zurückzuhalten, ich habe mit Steinen der Wut und der Kränkung nach ihm geworfen, wie hat er sich so plötzlich in meinen eingeschworenen Feind verwandeln können? An jenem Morgen, im blühenden Garten des Hotels, zerstörte er das kleine Glück, das wir gerade wieder gefunden hatten, aber friedlich senkt sich ein Gedanke über mich, er hat nicht gesündigt, er wird nicht bestraft werden, weil er nicht gesündigt hat, er hat kein Brot gegessen und kein Wasser getrunken, und er ist nicht den Weg zu dem schönen Hotel zurückgegangen, zu dem riesigen, verführerischen Bett, er gehorchte dem Wort des Herrn um unser aller willen, um der Reinheit unseres kleinen Königreichs willen, vielleicht war das gerade die Prüfung und er hat sie bestanden, was bedeutet es dann schon, wenn unsere Freiheit in Trauer endet, vielleicht gibt es eine versteckte Logik hinter den Ereignissen, die uns so erschüttert haben, eine tiefere Logik, eine ganz andere, denn wenn er je zurückkehrt, wird er es auf einem anderen Weg tun müssen, wird er ein anderer Mann werden müssen, und ich gehe zurück ins Zimmer und blättere schnell in der Bibel, ich will unbedingt die Stelle finden, wo das, was der Mann Gottes prophezeit hatte, Wirklichkeit wurde, sein Gebein liegt zwar in der Erde, aber seine Prophezeiung lebt, hier war der König Josijahu, der die Reste des Hauses Israel um sich sammelte und die Erde von ihrer Unreinheit befreite, er machte auch das Topheth im Tal Ben-Hinnom unrein, damit niemand seinen Sohn oder seine Tochter dem Moloch durchs Feuer gehen ließe, er ließ die Knochen aus den Gräbern holen und verbrannte sie auf dem Altar von Bethel, aber die Gebeine des Mannes Gottes rührte er nicht an, der von Juda gekommen war, und so blieben mit seinen Gebeinen auch die Gebeine des Propheten unberührt, der aus Schomron gekommen war.
Vor meinen Augen zeigt sich das wüste Königreich Israel, übersät mit den Scherben von Altären, den Zeugen ihrer Sünde, ihre Einwohner vertrieben, die harten Nacken den Häusern in ihrem Land zugewandt, den Häusern, die von Fremden bewohnt werden, so wie Udi durch fremde Landschaften wandert, ein fremdes Kind auf dem Rücken, und ich frage mich, ob in ihm ein anderer Udi steckt, den ich nie kennengelernt habe, den ich in all den Jahren verpaßt habe, vielleicht ist er neben mir verwelkt und neben ihr blüht er, und einen Moment lang betrachte ich verbittert sein Blühen, ich sehe, wie er den Kopf zurücklegt und lacht, und sie wirft ihm einen erstaunten Blick zu, aber
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