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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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entspannt auf dem Rücken, die Haare um den Kopf gebreitet wie ein Fächer, ihr blaues Leinenhemd spiegelt das Blau des Himmels. Sie scheint einen kleinen Mittagsschlaf machen zu wollen, nach dem vergnüglichen Schauspiel, das ich ihr geboten habe, sie hat kein Interesse an einer Erklärung, und mit plötzlicher Feindseligkeit beobachtete ich ihre Bewegungen, ihr ist nicht anzumerken, ob sie meine Worte gehört hat und ob es übertriebene Höflichkeit oder mangelndes Interesse ist, das sie dazu bringt, die Augen zu schließen, da, auf dem blassgrünen gemähten Rasen, auf dem Ameisen in fieberhafter Geschäftigkeit wimmeln, sie kommen schon in einer langen Reihe auf uns zu, gierig nähern sie sich ihren Haaren, als wären Brotkrümel darin versteckt, und ich warne sie nicht, ich beobachte aus dem Augenwinkel, wie sie näher kommen, du hast schon wieder Ameisen in den Unterhosen, sagte meine Mutter zornig, während sie meine Unterhosen aus dem Wäschekorb zerrte, und fuchtelte mit dem fast schwarz gewordenen Stück Stoff herum, auf dem Ameisen wimmelten, sie gehen nur auf deine Unterwäsche, warf sie mir immer wieder erstaunt vor, als wäre das meine Schuld.
    Nun, da sie die Augen geschlossen hat, kann ich sie ganz genau betrachten, ihr schwarzer Wickelrock entblößt blasse Oberschenkel, sie sehen sehr weiblich aus, wie ihre übrigen Gliedmaßen, die bewegungslos daliegen, ihr Kinn, zum Himmel gerichtet, ist leicht fliehend, eine goldene Uhr, die aussieht wie ein Armreif, schmückt ihr Handgelenk, das locker auf ihrer Stirn liegt, am Finger trägt sie einen breiten Ehering, ich werfe einen Blick auf meine Hand, ein heller Hautstreifen zeigt die Stelle, an der sich bis vor kurzem, fast zehn Jahre lang ein Ring befunden hat. Ein metallisch schwarzer Rabe hüpft auf kräftigen Beinen in unsere Richtung, wie angelockt von ihrem in der Sonne glänzenden Schmuck, und ich beobachte ihn, wie wagemutig er ist, gleich wird er ihr mit seinem gebogenen Schnabel den Goldring vom Finger ziehen und mit triumphierendem Geschrei über den Park flattern. Sie richtet sich auf und hebt erschrocken den Zeigefinger, schau, vermutlich hat sie den Raben bemerkt, aber sie sagt, dein Fuß, falls das überhaupt ein Fuß ist, und tatsächlich sieht er wie ein verfärbter Teigklumpen aus, den man in der Sonne vergessen hat, er quillt zwischen den Riemen der Sandale hervor, und erst da glaube ich dem Schmerz, der mich umfängt.
    Du bist schlimm gestürzt, sagt sie, endlich verschwindet das Lächeln von ihren Lippen, das musst du röntgen lassen, ihre Hände gleiten sanft über meinen Knöchel, prüfen den Zustand des Knochens, ich denke, er ist nicht gebrochen, entscheidet sie, er scheint verstaucht zu sein, mach dir kalte Umschläge, wenn du zu Hause bist, und ich frage erstaunt, was, bist du eine Ärztin? Und sie sagt, nein, eigentlich nicht, ihre Lippen verziehen sich leicht, sie wirft einen Blick auf ihre Uhr und springt schnell auf, schau, wir waren so früh dran und jetzt sind wir zu spät, und als ich versuche, mich zu erheben, befiehlt sie, bleib hier, steh nicht auf, ich bringe dir deinen Jungen.
    Aber er kennt dich nicht, protestiere ich, er wird nicht mit dir gehen, und sie sagt, verlass dich auf mich, mach dir keine Sorgen, und erst als sie sich entfernt hat, fällt mir ein, dass ich ihr gar nicht gesagt habe, wer mein Junge ist, vielleicht bringt sie mir einen anderen her, und vielleicht werde ich den Irrtum gar nicht bemerken, vielleicht werde ich ihn lieben, wie ich Gili liebe, und Gili wird ebenfalls abgeholt werden, von einer anderen Mutter, die den Irrtum nicht bemerkt, und vielleicht ist das seine Rettung, eine Mutter, die den Vater nicht verlässt, eine Mutter, die keine Familie zerstört.
    Ich bin in diesem armseligen Park allein zurückgeblieben, ich und die Raben und die Abfallhaufen, die in der Sonne gären und einen fauligen, bitteren Geruch verströmen, nur in der Ferne, neben der Hauptstraße, hat sich eine Gruppe Soldaten ausgestreckt, ihre Uniformen werden von der Farbe des Rasens verschluckt, sie liegen bewegungslos im Schatten der Olivenbäume, zwischen ihnen stolzieren Raben umher, hüpfen über Felsvorsprünge, stoßen ununterbrochen ihre drohenden Rufe aus, als teilten sie sich gegenseitig schlechte Nachrichten mit, wie jener Rabe, der dem ersten Menschen vom Mord an seinem Sohn Abel berichtete. Ich scheine auf dem Stern der Raben gelandet zu sein, ihre harten Gesetze sind mir auferlegt, aber die Raben sind die

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