Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
über die leeren Kanäle springen, Gilis Lachen wird von einem angenehmen Wind zu mir herübergeweht, es ist hell und voller Freude und verbreitet eine süße Ruhe in meinem Herzen. Warum bin ich so erschrocken, es wird keine Katastrophe geben, schließlich lassen sich fast alle scheiden oder haben sich scheiden lassen oder werden es tun, vielleicht plant ja auch diese Frau, die hier neben dir liegt, in diesem Moment ihr neues Leben, lass dir von niemandem Angst einjagen, es geht ihm gut, er hat eine Mutter, er hat einen Vater, er hat einen Freund, er hat ein Eis, was braucht ein Junge mehr?
Sie springt wieder auf, ich muss los, sie sieht immer älter aus, je mehr Zeit vergeht, vor meinen Augen hat sie sich von einem jungen Mädchen in eine Frau verwandelt, erst habe ich mich gewundert, dass sie schon einen Sohn hat, und jetzt, da ihr die Sonne aufs Gesicht fällt, erschlafft ihre Haut, und ich wundere mich, dass ihr Sohn so jung ist. Jotam, wir müssen Maja vom Ballett abholen, ruft sie, ihre Stimme klingt verärgert, als hätte sie ihn schon ein paarmal gerufen, und Jotam schlendert missmutig zu uns herüber, aber Mama, es gefällt mir hier, und sie sagt, wir kommen ein andermal wieder her, los jetzt, Maja wartet auf uns.
Wir gehen jetzt auch, sage ich schnell, und sie dreht sich zu mir, kannst du überhaupt gehen? Sie streckt mir ihre bleiche Hand hin, unter ihrer Haut schlängeln sich bläuliche Adern wie Bachläufe, und ich erhebe mich schwerfällig, das Gehen ist plötzlich zu einem komplizierten Vorgang geworden, der Vorsicht und Voraussicht verlangt, und sie beobachtet gereizt meine Bewegungen, ich bringe euch heim, schlägt sie vor, wo wohnt ihr? Nicht weit von hier, sage ich und stütze mich auf dem Weg zum Auto auf ihren Arm, eine plötzliche Bürde für das Leben einer völlig fremden Familie.
Mama, ist Papa schon zu Hause?, höre ich Gili vom Rücksitz aus fragen, und während ich noch versuche, eine passende Antwort zu finden, kommt sie mir zuvor und antwortet, es war ihr Sohn, der gefragt hat, nicht meiner, sogar ihre Stimmen ähneln einander, noch nicht, er kommt am Abend, und zu meinem Erschrecken höre ich Gili flüstern, sag mal, schläft dein Papa bei euch zu Hause? Jotam ist erstaunt, ja, er wohnt doch da, außer wenn er beim Reservedienst ist oder im Ausland, und Gili fährt mit geheimnisvoller Stimme fort, mein Papa hat in der Nacht in einem Kühlschrank geschlafen, aber der Kühlschrank hat so einen Lärm gemacht, dass er nicht einschlafen konnte. Was erzählst du da, Gili, ich mische mich ein, lache gezwungen, rede keinen Unsinn, du hast nicht verstanden, was Papa gesagt hat, aber er ignoriert mich und fügt hinzu, du hast Glück, dass deine Eltern sich nicht streiten, und Jotam sagt, manchmal streiten sie sich und manchmal nicht, was soll das heißen, alle Eltern streiten sich manchmal, und Gili sagt, aber meine streiten sich für immer.
Schön, wir sind angekommen, verkünde ich, obwohl wir erst am Anfang der Straße sind und noch viel zu viele Schritte vor mir liegen, komm schon, sie haben keine Zeit, ich treibe ihn zur Eile an, und vielen Dank, Michal, du hast mich heute gerettet, wirklich, und sie wirft mir einen grünen Blick zu, und auf ihrem Gesicht liegt wieder der Ausdruck erstaunter Neugier, als säße ich wieder oben auf dem Tor. Willst du, dass ich dich ins Haus bringe, fragt sie, und ich sage, das ist nicht nötig, es ist wirklich ganz nah, ich komme zurecht, aber ihr Blick begleitet mich, während ich mich schwerfällig humpelnd vorwärts bewege, ein Blick voller Beunruhigung und Erstaunen und sogar Bedauern, als wäre ein langer trauriger Brief, der an mich adressiert ist, irrtümlich bei ihr gelandet.
Mama hinkt, Mama hinkt, er springt um mich herum, flattert mit seinem schwarzen Umhang wie eine Fledermaus, und ich befehle ihm, gib mir die Hand, Gili, mir fällt das Gehen schwer, aber er macht keine Anstalten, mich zu stützen, und auch als er sich schließlich dazu herablässt, mir seine klebrige Hand hinzustrecken, scheint sein ganzes Gewicht an ihr zu hängen und mich auf den Gehweg zu ziehen, auf dem schon die ersten herabgefallenen Blätter liegen.
Der Schmerz pocht mit schweren klaren Schlägen in meinem Fuß, wie die Glocke einer Kirche, und ich höre ihm ängstlich zu, so sehr zieht er meine Aufmerksamkeit auf sich, baut eine klare Trennwand, die von Sekunde zu Sekunde höher wird, zwischen dem, was bisher war, und dem, was ab jetzt sein wird, zwischen dem, was
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