Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
treuesten Vögel, sie verbinden sich mit ihrem Partner für das ganze Leben, und deshalb wurden sie von den alten Ägyptern in ihrer Hieroglyphenschrift als Symbol der Ehe ausgewählt, und nun breche ich ihr Gesetz, sie sammeln sich um mich, als wäre ich ein Stück Aas, gleich werden sie mich an den Kleidern packen und verschleppen, ich schwebe über meine Wohnung, die ich bald verlassen muss, über das Haus meiner Eltern, die ich nicht mehr wiedersehen werde, über die vernarbten Plätze der armen Stadt, die sich zur Herrscherin über andere Städte gemacht hat, die reicher und schöner sind als sie, diese hochmütige, freche Stadt, die sich eine prächtige Vergangenheit erdichtet hat, von der sie lebt, der es gelungen ist, die ganze Welt von ihrer Bedeutung zu überzeugen, und die nicht voraussah, dass diese Bedeutung zum Fluch werden würde, ich werde auf die alten Mauern hinunterschauen, die mir vertrauter sind als die neuen Viertel, bis die Raben mich plötzlich am Rand der Wüste fallen lassen werden, genau an der Stelle, wo die Stadt mit einem Schlag aufhört.
Schritte kommen näher, helle zwitschernde Stimmen, kleine rennende Füße in Sandalen, die vom Sommer abgenutzt sind, wie ein Gespann von Clowns hopsen sie vorwärts, in den Händen ein knallfarbiges Wassermeloneneis, das, schon halb geschmolzen, über ihre Finger rinnt, Kriegsbemalung auf den Gesichtern, und einen Moment lang fällt es mir schwer, sie zu unterscheiden, ich hatte erwartet, neben ihr einen Jungen mit weizenblonden Locken zu sehen, aber zu meiner Überraschung hat er glatte schwarze Haare, die wie eine glänzende Pilzhaut um seinen Kopf liegen, seine Augen sind dunkel und ernst, er ist etwas kleiner und knochiger als mein Gili, und trotzdem sieht er ihm auf eine seltsame Weise ähnlich, und Gili hüpft fröhlich an seiner Seite, dünnbeinig wie eine Laubheuschrecke, nichts erinnert mehr an seine Tränen, stolz zeigt er mir sein luxuriöses Eis, als hätte er es sich mit Arbeit verdient, und besonders stolz ist er auf seinen neuen Freund, der ihm plötzlich zugefallen ist. Zwischen all den anderen fremden, beängstigenden Kindern, deren Namen durch die Luft schwirren wie Hüte, die noch nicht die passenden Köpfe gefunden haben, ist plötzlich ein Junge deutlich hervorgetreten, und er betrachtet ihn zufrieden und mit einer leichten Angst, als könnte er so plötzlich, wie er aufgetaucht ist, auch wieder verschwinden und ihn in seiner bedrückenden Einsamkeit zurücklassen.
Sie lässt ihre Last neben mir fallen, zwei Ranzen, ein Zauberhut, ein Zauberstab und ein Umhang, zwei Getränkeflaschen, und streckt sich in genau derselben Haltung wie vorhin wieder neben mir aus, und ich richte mich auf und danke ihr mit einem Lächeln, ihr seht euch überhaupt nicht ähnlich, stelle ich fest, und sie betrachtet ihren Sohn prüfend, nein, gibt sie zu, er sieht aus wie sein Vater, und ich strecke in meiner Fantasie die Glieder des Jungen und stelle enttäuscht einen knochigen Mann neben sie, sehr gerade, sehr ernst, und sie sagt, die Lehrerin lässt dir ausrichten, dass morgen Nachmittag ein gemeinsamer Empfang des Schabbat gefeiert wird, und ich höre unwillig zu, morgen, frage ich, aber warum, wozu soll das gut sein? Sie schaut mich erstaunt an, du weißt, wie das ist, der Anfang des Schuljahres, da wollen sie die Familien kennen lernen, das ist nicht so schlimm, und ich zische böse, das passt mir jetzt überhaupt nicht, ich habe nicht vor, hinzugehen.
Wegen deines Fußes, fragt sie, und ich sage, nein, es ist nicht der Fuß, und wieder warte ich, dass sie weiterfragt, und wieder schweigt sie, ihre Lippen saugen an der Zigarette, die sie sich ansteckt, für dich ist es vielleicht nicht schlimm, denke ich wütend, du nimmst deinen Mann und deinen Sohn und ihr geht hin, und dann kehrt ihr nach Hause zurück und esst zu Abend, aber mir wird übel bei dem Gedanken, neben Amnon zu sitzen und eine normale Familie zu spielen und mit scheinheiligen Leuten Schabbatlieder zu singen. Bis vor kurzem war das noch ganz natürlich, leicht wie das Atmen, und ich frage mich verwundert, vielleicht ist das nur der Anfang, vielleicht besteht jeder Tag im Leben geschiedener Menschen aus einer Abfolge von Hürden, jedes einfache Ereignis verheddert sich zwischen ihren Fingern. Amnon wird mit ihm hingehen, entscheide ich, schließlich fällt mir das Laufen schwer, und ich strecke mich wieder neben ihr aus und schaue schweigend unseren Kindern zu, die wie kleine Hunde
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