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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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ich bisher war, angeblich eine verheiratete Frau, die eine Familie hat, eine Wohnung, ein gesichertes, wenn auch begrenztes Eigentum, und dem, was ich in Kürze sein werde, eine geschiedene Frau mit Kind, ohne Partner, ohne Wohnung, die vorläufig nichts hat, aber irgendwann vielleicht alles haben wird, und dieses zweifelhafte Vielleicht, das plötzlich, nach langer Abwesenheit, in mein Erwachsenenleben eingedrungen ist, wird immer größer, und mir ist, als könne es jeden Schmerz lindern, und während ich da auf dem Sofa liege, das Bein auf einem Berg Kissen, die Gili fröhlich für mich aufgetürmt hat, habe ich das Gefühl, es handelte sich um Geburtswehen, die mein neues Leben ankündigen, schmerzhaft, aber auch mit Freude, das neue Leben, das ich zwar noch nicht kenne, das mich aber mit dem Geschrei eines Neugeborenen einlädt, es mit beiden Händen zu ergreifen und an die Brust zu drücken.
    Mama, schieß ins Tor, bittet er, du hast versprochen, dass du ins Tor schießt, er steht gebückt vor einem unsichtbaren Fußballtor zwischen zwei Wänden, und ich seufze, vielleicht morgen, Gili, du hast doch gesehen, ich kann nicht mal stehen, wie soll ich da spielen, aber er beharrt, nein, nicht morgen, heute, mir ist langweilig, sein Gesicht wird immer röter, gleich wird es sich zu einem Weinen verzerren, und ich versuche, ihn zu beruhigen, komm, spielen wir etwas anderes, Domino oder Monopoly, und während ich noch weitere mögliche Spiele aufzähle wie eine Kellnerin die Tagesgerichte, mischt sich ein schlaues Lächeln in seine Tränen, und er bekennt, ich habe Papa schon angerufen, dass er kommt und mit mir Fußball spielt, weil du nicht kannst, er wird gleich kommen.
    Die plötzliche scharfe Trennung zwischen seinem Willen und meinem trifft mich wie ein Faustschlag, schließlich ist er mein kleiner Junge, mein Augapfel, Fleisch von meinem Fleisch, mein einziger Sohn, fast bis zur Unerträglichkeit geliebt, dessen Wille sechs Jahre lang mein Wille war, seine Freude meine Freude, sein Kummer mein Kummer, und da hat sich plötzlich diese Diskrepanz zwischen uns eingeschlichen, über Nacht, sein Wille ist nicht mehr meiner, seine Freude nicht mehr meine, sein Kummer nicht mehr meiner, und ich habe das Gefühl, dass dies der wirkliche Riss in meinem Leben ist, wie der Riss in der Kleidung eines Trauernden, es ist nicht die zunehmende Entfremdung zwischen Amnon und mir, sondern die Entfremdung zwischen Gilis Wünschen und meinen, die ihn plötzlich gegen mich stellt, das einzigartige, vollkommene Einverständnis, das sechs Jahre zwischen uns geherrscht hatte, stirbt langsam in der Zimmerecke, neben den Spielsachen, die er nicht mehr will, und stattdessen werden sich Spannungen aufbauen, gegensätzliche Bedürfnisse, und ich betrachte ihn mit Unbehagen, wie er den Ball an sich drückt, erwartungsvoll aus dem Fenster schaut, auf dem milchigblassen Gesicht ein Ausdruck, in dem sich Stolz mit Angst vermischt.
    Als Amnon hereinkommt, stelle ich mich schlafend, und vielleicht schlafe ich wirklich, denn ihre Stimmen sind so weit weg und so dumpf wie die Stimmen von Traumgestalten, mein schmerzender Knöchel trennt mich von ihnen, befreit mich von jeder Pflicht, und ich gebe mich dem Schmerz hin, der meine Bewegungsfreiheit einschränkt, aber den Geist befreit, ihr Gespräch hüpft durch das Zimmer, weich und elastisch wie der Schaumstoffball, der zwischen ihnen hin und her rollt, und im Schutz meines Dahindämmerns, des bohrenden Schmerzes, der mich fast ohnmächtig werden lässt, verwischen sich ihre Gestalten, bis ich das Gefühl habe, es wären mein Vater und meine Mutter, die bei uns zu Hause auf Zehenspitzen um mich herumgehen, und ich bin krank, ich bin frei, mir Fantasien der Liebe vorzustellen. Ich bin wie eine Katze, die im Bett Junge geworfen hat, ich lecke meine Fantasiegestalten, schmiege mich an sie, male mir mein zukünftiges Leben als Erwachsene mit leuchtenden Farben aus. Ausgestreckt auf dem Sofa und zugedeckt mit einer Decke aus Schmerz, scheine ich noch träge diesem Paar nachzuwinken, das sich entfernt und den Platz für andere Gestalten frei macht, und das Rauschen eines Gesprächs dringt an mein Ohr, und erst da verstehe ich, dass diese natürliche warme Unterhaltung, die mich schon seit sechs Jahren begleitet, hier nicht mehr gehört werden wird. Dieses entspannte Rauschen zwischen einem Vater und seinem Sohn, einem Sohn und seinem Vater wird es noch geben, aber ich werde es nicht mehr hören, und auch

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