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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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unhöflich ausgestreckten Zeigefinger, schaut mal, da ist die Mama von Gili, und ich bin gezwungen, sie mit gespieltem Erstaunen anzusehen, und sogar noch mehr, ich gehe zu ihnen hinüber, guten Tag, ich habe euch gar nicht bemerkt, zwitschere ich, mir ist schwindlig vom Wein, ich halte mich an ihrem Tisch fest wie mit Vogelkrallen.
    Ich habe heute Geburtstag, verkündet Jotam, und ich mache wieder ein erstauntes Gesicht, wirklich? Wie schön, herzlichen Glückwunsch, und er fragt weiter, warum ist Gili nicht mehr mein Freund? Und ich sage, ohne nachzudenken, natürlich ist er dein Freund, erst gestern hat er zu mir gesagt, er will, dass du ihn besuchst, und Michal sagt, schön, ich rufe euch diese Woche an, dann können wir etwas ausmachen, und sofort entschuldigt sie sich für ihre Unhöflichkeit, entschuldige, Ella, das ist Oded, mein Mann, ihr kennt euch noch nicht, und wir geben uns schweigend die Hand, mit einem verhaltenen Lächeln, keiner von uns macht sich die Mühe, die Sache richtig zu stellen, als wären wir Komplizen. Seine Augen sind in einer stummen Frage auf mich gerichtet, und ich bleibe wie angewurzelt stehen, berühre seine Stuhllehne, sehne mich danach, mich ihnen anzuschließen, nur für einen Abend, aber dann hebt wieder Lärm an, als die Großeltern ins Café treten, und ich murmle einen Abschiedsgruß und kehre taumelnd zu meinem Platz zurück.
    Der Teller meines Tischgenossen ist fast leer gegessen, zeigt nur noch Sprenkel von blutigem Bratensaft, und er kämpft mit der Entscheidung, welchen Nachtisch er essen soll, Käsekuchen oder Schokoladenkuchen oder beides, warum nicht alles genießen, und ich unterbreche seinen inneren Kampf, ich glaube, wir sollten hier verschwinden, warne ich ihn leise, sie fangen gerade erst an, den Geburtstag zu feiern, es wird gleich wirklich laut werden, sie haben noch viele Leute eingeladen. Ach ja? Er ist überrascht und geschmeichelt von der Rücksichtnahme, die ich seinen außergewöhnlichen Bedürfnissen zuteil werden lasse, komm, dann gehen wir woandershin, gibt es hier in der Nähe eine nette Bar? Ich werfe einen entschiedenen Blick auf meine Uhr, schau, wie spät es schon ist, sage ich, wie schnell die Zeit vergeht, ich muss den Babysitter befreien, und er schaut mich misstrauisch an, wir haben uns doch für heute verabredet, weil der Junge bei seinem Vater ist. Ich bin erstaunt, dass er sich daran erinnert, wir haben die Tage tauschen müssen, lüge ich, sein Gesicht verfinstert sich, anscheinend hat er das Gefühl, für seine Bemühungen nicht belohnt worden zu sein, die Fahrtzeit hierher war länger als die Zeit, die ihm für das Treffen gewährt worden ist, und er zerbricht sich den Kopf darüber, wie er den Verlauf des Abends noch ändern könnte.
    Die Rechnung kommt schnell, wie von mir verlangt, und wird überraschenderweise mir hingehalten, die ich doch nur Wein bestellt habe, und ich werfe einen verlegenen Blick auf meinen Tischgenossen, hoffe, er wird die Hand ausstrecken und die Verantwortung für diesen Abend übernehmen, zehn Jahre Ehe haben mich die gängigen Regeln vergessen lassen, vielleicht haben sie sich inzwischen auch geändert, und ich ziehe langsam meinen Geldbeutel heraus, hoffe, er wird meinem Beispiel folgen, aber er hält sich noch immer mit der Suppe auf, haben sie mir die Suppe berechnet, fragt er, als wäre das alles, was er bestellt hat, ich schüttle den Kopf und ziehe einen großen Geldschein heraus, er lässt zu, dass ich mich von meinem Geld trenne, als müsste ich ihn für seine Mühe entschädigen, er lässt auch zu, dass die Kellnerin das kleine Tablett nimmt und mir das wenige Wechselgeld zurückgibt, das ich sofort wieder ihr zuschiebe, und ich frage mich erstaunt, ob das die neuen Gepflogenheiten sind, dass die Frauen bezahlen, auch wenn sie nichts gegessen haben, ich glaube kaum, dass ich mir solche Verabredungen öfter leisten kann, aber wichtig ist mir nur, ihn loszuwerden, ich wäre bereit, das Doppelte zu bezahlen, nur damit er verschwindet, wir erheben uns vom Tisch wie ein Paar, das uralten Groll verbreitet, gehen schnell an der feiernden Familie vorbei, sie sind alle ins Essen und in ihre Gespräche vertieft, keiner scheint das schwache Abschiedslächeln bemerkt zu haben, das ich zurücklasse.
    Wohnst du hier in der Nähe, fragt er und schlägt vor, mich nach Hause zu begleiten, als wir in die neblige, schlüpfrige Nacht hinaustreten, aber ich lehne es sofort ab, danke, ich möchte zu Fuß gehen, sage ich

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